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Unterwegs zum Staatsbankrott

Der Internationale Währungsfonds will Argentinien kein Geld mehr geben. Damit könnten Präsident de la Rúa dieProbleme endgültig über den Kopf wachsen: In nicht mal zwei Wochen steht eine Milliardenzahlung an die Schuldner an

aus San Salvador TONI KEPPELER

Immer wieder blickte Argentiniens Präsident Fernando de la Rúa in ein großes schwarzes Finanzloch, und immer wieder tat er so, als könne er es im letzten Augenblick doch noch zustopfen. Jetzt ist klar: Er kann es nicht.

Am 19. Dezember muss er den Gläubigern Argentiniens, die auf Schuldentiteln in Höhe von 132 Milliarden US-Dollar sitzen, 2 Milliarden Dollar Zinsen überweisen. Dazu hätte er 1,3 Milliarden vom Internationalen Währungsfonds (IWF) gebraucht. Der hatte das Geld, das Teil eines IWF-Kreditprogramms von insgesamt rund 22 Milliarden Dollar ist, zwar in Aussicht gestellt. Doch am Mittwoch hieß es in Washington: Bezahlt wird nicht. De la Rúa habe das versprochene Sparprogramm nicht weit genug vorangetrieben. Damit wird die Lage für das Land noch prekärer.

Was hatte de la Rúa nicht alles getan, um den seit Monaten absehbaren Staatsbankrott zu verhindern: Er hatte gekürzt, wo es etwas zu kürzen gab. Selbst die Renten und die Gehälter der Staatsbediensteten. Sein Finanzminister Domingo Cavallo hatte dem IWF im Sommer versprochen, das Haushaltsjahr werde ohne Defizit abgeschlossen. Er schaffte es nicht. Argentinien steckt seit drei Jahren in der Rezession. Die Steuereinnahmen sinken von Tag zu Tag. Die im Sommer aufgestellten Prognosen sind längst Makulatur.

Als Anfang November die Zahlungsunfähigkeit unabwendbar schien, präsentierte Cavallo den größten Schuldentausch der Weltgeschichte. Hochverzinsliche Staatsanleihen im Nennwert von 95 Milliarden Dollar sollen in Niedrigzinser umgetauscht werden. Den meisten nationalen Gläubigern konnte der Finanzminister das Geschäft aufs Auge drücken. Doch die internationalen kündigten Widerstand an. Sie haben ihren Reibach mit den Zinszahlungen längst gemacht und wollen verhindern, dass ein Exempel statuiert wird. Lieber lassen sie Argentinien bankrott gehen und ihre Schuldentitel vollends wertlos werden.

Die Sparer wurden nervös und räumten ihre Konten. Allein am vergangenen Freitag wurden Einlagen im Wert von einer Milliarde Dollar flüssig gemacht. Für den Montag wurden die ersten Bankencrashs erwartet. De la Rúa griff zum Zwang: Pro Konto dürfen nur noch 250 Dollar in der Woche abgehoben werden. Wer ins Ausland reist, darf höchstens 1.000 Dollar mitnehmen.

Die Argentinier waren geschockt, und die Gewerkschaften kündigten für den 13. Dezember einen Generalstreik an. Aber auch die Kontrolleure des IWF, die seit dem 25. November in Buenos Aires überprüfen, ob de la Rúa das vereinbarte Sparprogramm auch umsetzt, zeigten sich wenig begeistert. Sie wurden vorzeitig nach Washington zurückgerufen. Von dort hieß es, das Direktorium sehe sich gegenwärtig außer Stande, die Prüfung des Hilfsprogramms rasch abzuschließen.

De la Rúa hat mit dem Gewaltakt vom Wochenende die Banken gerettet. Die Wirtschaft aber würgte er noch mehr ab. Mangels Bargeld sank der Umsatz im Einzelhandel im Vergleich zur Vorwoche um bis zu 70 Prozent. Und das mitten im Weihnachtsgeschäft. Cavallo korrigierte deshalb schon am Mittwoch: Statt 250 Dollar in der Woche dürfen 1.000 Dollar im Monat abgehoben werden. Und wer ins Ausland geht, kann statt 1.000 10.000 Dollars mitnehmen.

Doch der IWF will keine Flickschusterei mehr. Argentinien solle entweder seinen im Verhältnis eins zu eins an den Dollar gebundenen Peso abwerten oder die Wirtschaft gleich auf den Dollar umstellen. Doch de la Rúa kann sich weder das eine noch das andere leisten.

Weil viele Argentinier in Dollars verschuldet sind, aber in Pesos bezahlt werden, würden sie unter einer Abwertung zusammenbrechen, eine größere Anzahl Unternehmenspleiten wäre zu befürchten. Das wäre der politische Tod de la Rúas. Für eine Umstellung vom Peso auf den Dollar aber gibt es schlicht zu wenige Dollars im Land. Die dritte Möglichkeit ist der Staatsbankrott. Und der würde unabsehbare Folgen für andere Schwellenländer haben.

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