Kann man sich schenken

■ Pro und Contra Präsentewahl zu Weihnachten: Was für die einen der totale Konsumterror ist, bedeutet für andere die Kür des Jahres

Die Argumente der Gegenseite: Alles nur Konsumterror, wir schenken uns lieber irgendwann im Jahr etwas, das hat doch alles nichts mehr mit dem eigentlichen Sinn des Festes zu tun, wir haben keine Geschenke nötig, um uns zu zeigen, dass wir uns mögen ... langsam ausblenden. Das wahre Argument: Wir sind zu faul, uns einen Kopf darüber zu machen, was der PartnerIn, den FreundInnen gefallen dürfte. Geschenkearmut ist nichts mehr als ein anderes Wort für Gedankenlosigkeit. Und wenn es nicht einen festen Termin im Kalender gibt, der entsprechenden sanften Druck ausübt, passiert es ohnehin überhaupt nicht. Der Mensch, so weiß der Sportskamerad Christoph Daum, braucht Druck, um Leistung zu bringen. Schenken können ist eine Leistung.

Es erfordert mithin zweifellos hochgradige nervliche Anspannung, bis kurz vorm Fest Gelassenheit vortäuschend abzuwarten, um sich am vierten Adventssamstag im Morgengrauen in die Spitalerstraße zu begeben und sie nicht eher bis zum 18. Glockenschlag („Projekt 18“) zu verlassen, bis alle Geschenke auf einmal besorgt sind. Aber der Erfolg, dann etwas Passendes gefunden zu haben, es eventuell jemand anderem, der gleichfalls ähnliche Begehrlichkeiten entwickelt hat, entwunden zu haben – das entschädigt. Nie leuchteten die Augen meiner Oma so hell wie an dem Tag, an dem sie vom Weihnachtseinkauf zurückkehrte, triumphierend ein paar So-cken in die Höhe hielt, um mitzuteilen, dass „am anderen Ende eine Bessere gerissen hat“, sie aber siegreich aus diesem Gefecht hervorging – wobei Bessere stets ihr Synonym für teuer gekleidete und nach Duftwässerchen riechende Menschen war – eine Wertung, die im mild revolutionärer gesonnenen Teil der Familie stets ein gewisses Stirnrunzeln hervorrief.

Jener Teil machte es anders und hatte dabei noch das Gefühl, etwas für die gute politische Sache getan und dem Einzelhandelsverband ein Schnippchen geschlagen zu haben. Die Geschenke wurden schon spätes-tens bis Mitte November gekauft, so dass man mit dem eigenen Konsum nicht dazu beitrug, die Einzelhandelsfunktionäre über einprozentige Zuwachsraten im Weihnachtsgeschäft jubeln zu lassen. Man erkennt: Schenken ist schön und bringt Freude. Peter Ahrens

Wie oft wurden Sie bereits von dem gemeingefährlichen Gefühlsbumerang namens Geschenk getroffen? Wenn die großen, hellleuchtenden Augen, die das Buntverpackte mit jedem Handgriff ein Stückchen mehr entkleiden, am Ende des Friemelns als zwei triste graue Kuhlen im Gesicht des Beschenkten das ganze feierliche Kerzenlicht absorbieren. Ein höfliches, aber innerlich gequältes „Danke“ wird hervorgepresst. Momente, die für Weihnachtsmann und Weihnachtsfrau schnell an der Bar der nächstgelegenen Kaschemme enden, um das materialisierte Kommunikationsproblem mit mehreren Schnäpsen vergessen zu machen.

Denn mal ehrlich, wer von uns modernen, spontanen und flexiblen Zeitgenossen kann denn heutzutage noch denjenigen verstehen, der vor ewigen Jahrtausenden mal einen vermeintlich festlichen Tag festgelegt hat, der uns jetzt ewig auf das interpretative Spiel des Schenkens festnagelt? Das kann sich nur jemand ausgedacht haben, der nicht Liebe, sondern enttäuschte Erwartungen im Sinn gehabt hat.

Denn das innere Zwiegespräch des/der Schenkenden läuft immer nach denselben malträtierenden Mustern ab: „Das ist es. Nein, schade, zu teuer. Leider nicht mehr in der richtigen Farbe erhältlich. Vergriffen. Zu popelig. Im Sommer hatte sie es mir doch gesagt. Verdammt. Ich Idiot.“ Geschenke soll man feiern, wie sie kommen. Nicht an fixierten Daten, die einen zwangsläufig an den Rand der senilen Vergesslichkeit drängen, wenn man mit offenem Mund vor dem Warenangebot steht und nicht mehr weiß, ob gelb oder orange die Farbe der Saison sein wird, die gewünscht war und erwartet wird. Wahrlich eine romantische Situation, die der Besinnlichkeit des Festes besonders förderlich ist und Erwartungsdruck in Dampfkochtopfmanier verursacht.

Es ist zu einfach, dies als Worte eines frustrierten Schenkers abzutun. Denn es sind die unsensiblen, wenig selbstkritischen, vielleicht sogar schlicht ignoranten Menschen, die glauben, immer das richtige Geschenk zum immer gleichen Zeitpunkt in der immer gleichen Jahreszeit schenken zu können. Wie wäre es denn mal mit Weihnachten im Sommer? Dann müsste sich der Mensch der Pro-Seite wenigstens keinen Wintermantel „ordern“, sondern könnte sich ein Schlauchboot für den nächsten Urlaub schenken lassen. Oke Göttlich