In Europa verfolgt, in der Kiste erstickt

Acht Flüchtlinge aus der Türkei verenden qualvoll in einem Büromöbeltransport aus Italien nach Irland

DUBLIN taz ■ Acht tote Flüchtlinge, darunter drei Kinder zwischen vier und elf Jahren, wurden am Samstagvormittag in einem Container in der südostirischen Stadt Wexford gefunden. Sie waren offenbar erstickt. Fünf weitere Flüchtlinge überlebten, schweben jedoch in Lebensgefahr. Der Container hatte in Mailand eigentlich Büromöbel geladen. Von Italien wurde er vor zehn Tagen per Bahn über Köln in die belgische Hafenstadt Zeebrügge transportiert, wo er auf einem Lastwagen nach Waterford im Süden Irlands verschifft wurde. Nach seiner Ankunft am vorigen Donnerstag fuhr der Lkw weiter nach Wexford. Der Fahrer bemerkte am Samstag, dass das Siegel an der Ladeklappe zerstört war, und rief die Polizei. Nach der Entdeckung der Toten musste er im Schockzustand ins Krankenhaus eingeliefert werden.

Wo die 13 Flüchtlinge in den Lastwagen geschmuggelt wurden, ist bisher nicht bekannt. Einer der Überlebenden, ein 17-jähriger Mann, hat mit Hilfe eines Übersetzers eine kurze Aussage gemacht. Die Polizei vermutet, dass es sich bei den Flüchtlingen um mehrere türkische Familien handelt. Eine internationale Untersuchung soll den Fall klären. Irlands Premierminister Bertie Ahern bezeichnete die Tragödie als „Abscheulichkeit“. Er sagte: „Diejenigen, die bei diesem furchtbaren Menschenhandel mitmachen, haben abermals ein gemeines Verbrechen an den Opfern ihrer Habgier begangen.“

Im vorigen Jahr waren 58 chinesische Flüchtlinge in einem luftdichten Container, in dem sie sich versteckt hatten, im südenglischen Hafen Dover tot aufgefunden worden. Die Schmuggler sind bis heute nicht gefasst worden. Irland war bis vor wenigen Jahren für Flüchtlinge uninteressant. Während des Bosnien-Krieges hatte Irland die Aufnahme von 300 Menschen zugesagt, doch mangels Nachfrage wurde das Kontingent nicht mal zur Hälfte gefüllt. Erst als weltweit über den „keltischen Tiger“, wie das irische Wirtschaftswunder genannt wird, berichtet wurde, stieg die Zahl der Anträge dramatisch – auch wenn die Zahl im internationalen Vergleich noch immer gering ist.

Viele Iren trifft der plötzliche Zuwandererstrom unvorbereitet: Die Iren, die historisch durch Auswanderung nach England, Australien und in die USA überlebten, reagieren auf die neuen Mitbürger überwiegend feindselig; Übergriffe sind an der Tagesordnung. Die irische Gastfreundschaft, die das Fremdenverkehrsamt so gerne vermarktet, gilt eben nur für zahlungskräftige Besucher. RALF SOTSCHECK