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Und einer flog über den Weihnachtsmarkt

■ Der große Glühwein-Test der taz. Damit Sie auf dem Bremer Weihnachtsmarkt nur die edelsten Tropfen genießen.

Der Punsch schmeckt wieder. Vor einigen Jahren schreckten die Bremer Weihnachtsmarkt-Freunde auf. Zu hohe Kupferwerte wurden im Heißgetränk festgestellt. Inzwischen sind die Kupfer-Schlangen, die früher den Punsch in den Kesseln erhitzten, entfernt. Sorglos können wir unseren Spaziergang über den Weihnachtsmarkt beginnen.

Preisabsprachen gibt es auf dem Markt keine. Dennoch sind die Preise überall gleich. Satte vier Mark kostet der Trunk. Zwei Mark Pfand dazu, denn die kitschigen Bremer Weihnachtsbecher sind heiß begehrt.

Erste Station: die „Glühwein-Diele“ gleich rechts neben dem Rathaus. Wie eine gemütliche Berghütte sieht die Schnaps-Bude aus. Drinnen kann man sitzen oder in geselliger Runde an Tischen stehen. Wenn es regnet, bietet die Diele ein Dach über dem Kopf. Das ist ein Pluspunkt.

In der „Glühwein-Diele“ bekommt der Kunde für sein Geld einen soliden Glühwein. Den Alkohol kann man gut schmecken. Das spielt beim ersten Getränk dieser Art ja noch eine wesentliche Rolle. Der Punsch ist aber nicht penetrant. Ein leichter Fruchtgeschmack legt sich über die Volumenprozente, vermittelt Wärme und den Wunsch nach Geselligkeit, an der es auf dem Weihnachtsmarkt schließlich nicht fehlt.

Dem Touristen wird hier ein Blick auf das eingerüstete Rathaus geboten. Ein Thüringer Ehepaar belagert einen der Bistro-Tische. Dem Glühwein hier würde er eine glatte „2“ geben, sagt der Mann in entsetzlichstem Dialekt. Die Thüringer haben es auf eine längere Unterhaltung angelegt. Schnell weg hier.

Zweite Station: die „Weihnachtsschänke“ der Bremer Schaustellerfamilie Renoldi. Zwischen Bremer Bank und Petri-Dom befindet sich dieser Stand. Keine Thüringer. Der erste Pluspunkt für die Punsch-Bude. Bereits bei der zweiten Test-Station haben wir das gesamte Spektrum der verschiedenen Glühwein-Geschmacksrichtungen abgedeckt.

Dieser Punsch schmeckt ganz anders als das Zeug von eben. Wenig fruchtig. Dafür haftet ein milder Nachgeschmack von Sahne, Mandel und Zimt am Gaumen. Sicher ein Kontrast, aber unbedingt einen Versuch wert.

Auch in der „Weihnachtsschänke“ kann man es sich gemütlich machen. Es gibt ein paar Sitzgelegenheiten und ansonsten die bekannten Bistro-Tische.

Für die Abstinenzler und Trockenen unter uns wird auch ein Kinderpunsch angeboten. Ohne Alkohol. Dafür mit kräftigem Apfel-Zimt-Aroma.

Wir bevorzugen die gehaltvollen Spezialitäten. Das Urteil: Auch dieser Glühwein hat was. Er hebt sich mit seinem apart würzigen Geschmack deutlich ab. Gegenüber gibt es Schweinesteaks im Brötchen. Nach jedem dritten Glühwein so ein deftiges Schmankerl, und der Abend auf dem Weihnachtsmarkt lässt sich ohne unangenehme Zwischenfälle bis zur Sperrstunde hin ausdehnen.

Unsere dritte Station ist die „Glühweinhütte“ nahe der Liebfrauenkirche. Preislich bietet die Bude das Gleiche wie die Konkurrenz. Außergewöhnlich nur ein ganz besonderes Angebot: Der Schuss des Tages. Jeden Tag gibt es auf eine bestimmte Sorte Schnaps im Punsch eine Mark Rabatt. Super.

Heute ist Rum-Tag. Das trifft sich gut, denn Rum schmeckt lecker. Bei diesem Glühwein überwiegt eindeutig der Alkoholgeschmack. Nur ein kleiner Hauch von Frucht ist zu spüren. Ob das etwas mit der Qualität des Getränks zu tun hat oder damit, dass man nach dem dritten Glühwein einfach langsam duselig wird, vermögen wir zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zu sagen.

Halt. Ein besonderer Nachgeschmack bleibt doch nach. Ist das Kardamom? Keine Ahnung. Den Glühwein gibt es hier nicht aus den sonst üblichen Weihnachtsmarktbechern, sondern aus stilvollen Weingläsern. Die Gläser werden abgeräumt. So wird man bei einem Blick auf den Tisch nicht damit konfrontiert, wie viel von dem Teufelszeug man schon getrunken hat. Am Stand nebenan gibt es Pferdewurst. Igitt, igitt.

Wenden wir uns ab vom christfestlichen Treiben des Weihnachtsmarktes und tauchen wir ein in die Menschenmenge, die die Sögestraße entlangflaniert. Hier befindet sich unsere vierte Station – der eindeutige Sieger unseres großen Glühwein-Rankings. Die Inhaberin des „Glühweinstand in der Sögestraße“ sorgt für die richtige Stimmung. Sie hat eine Bläsergruppe aus der Ukraine engagiert. Die als Weihnachtsmänner verkleideten Musiker spielen Weihnachtslieder in schmissigen Jazz-Versionen.

Der Kenner braucht nur seine Nase in den Glühwein von Frau Robrahn zu stecken, um zu wissen, dass es sich bei diesem Punsch um etwas ganz Besonderes handelt. Der Glühwein ist frisch. Nicht von Aldi, sondern von einem Winzer aus der Pfalz. Darauf ist die Punsch-Ausschänkerin ein biss-chen stolz. Nur an wenigen bremischen Glühwein-Ständen kann man sich so sicher sein, in Qualität zu investieren wie hier. Der Punsch ist das ultimative Frucht-Vergnügen. Kein beißender Alk-Geschmack, der dem Genießer Falten ins Antlitz meißelt. Kekse gibt es bis zum Abwinken. Wir kommen gerne wieder.

Station Nummmer fünf wird torkelnden Schrittes angesteuert. „Fischers Feuerzangenbowle“ auf dem Marktplatz. Die Preise jagen dem Glühwein-Spezialisten zunächst ei5znen Schrecken ein: sechs Mark für einen Becher Bowle, plus vier Mark Pfand.

Doch auf den zweiten Blick ist das Angebot gar nicht so schlecht. Fischers Becher sind größer, und eine Feuerzangenbowle ist schon etwas edler als ein gemeiner Glühwein. Da kommt Rum rein. Der Geschmack wird von einem feinen Orangen-Aroma dominiert. Ausgeschenkt wird aus rustikalen Kesseln. Die Becher sind schon ein bisschen klebrig.

Es war ein netter Abend. Der letzte Schluck Feuerzangenbowle landet im Gulli, was nicht gegen die Qualität des Getränkes sprechen soll. Gern hätten wir noch mehr Glühwein-Stände für Sie getestet. Aber irgendwann stößt ein jeder an seine Grenzen.

Station Nummer sechs: Die Apotheke in der Lloyd-Passage. Hier gibt es die besten Aspirin in der ganzen Hansestadt.

Ebbe Volquardsen

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