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Ein Mann will nach unten

Nie wieder Juhnke: Der Schauspieler musste sich aus gesundheitlichen Gründen vom Bühnenleben verabschieden

Richtig viele Deutsche gibt es nicht, die im Munzinger, dem arriviertesten deutschen Personen-Archiv, den Zusatz „Entertainer“ tragen dürfen. Denn normalerweise klebt dieses Wörtchen eher recht zäh an US-Charmeuren wie Frank Sinatra oder Dean Martin.

Harald Juhnke hat schon 1980 eine Auszeichnung als „bester Entertainer“ bekommen. Was er ansonsten mit dem mafiosen Reagan-Unterstützer gemein hat, weiß jeder. Denn jeder hat die Abstürze und Aufrappeler, die unfreiwilligen und gewollten Homestorys der Boulevardmedien, die Gesund- und Krankschreibereien der Presse mitbekommen, hat die Eskapaden des Weddinger Polizistensohns gleichzeitig schockiert und amüsiert durchgehechelt: Juhnke eignet sich, neben dem Genuss, den er als Schauspieler bereiten kann, hervorragend für eine eigennützige „Gott sei Dank, ich bin nicht so!“-Attitüde.

Wenn Juhnke, wie sein langjähriger Manager Peter Wolf gestern mitteilte, nun wegen „unheilbarer Krankheit“ und „verwirrtem Geist“ nie wieder vor einer Kamera oder auf einer Bühne stehen wird, so ist das einerseits wirklich traurig. Denn Juhnke ist gut, ist ein Entertainer, ist einer der wenigen ewigen deutschen Schauspieler, der, egal ob 1948 in seiner ersten Rolle als Offizier im Maxim Gorki Theater, 1978 in „Ein Mann will nach oben“, 1992 in „Schtonk“, oder drei Jahre später in Falladas „Trinker“, seine starke Persönlichkeit zwar rollengemäß genial verändert, aber nie aufgibt. Jedenfalls nicht, was sein Talent angeht. Den Kampf gegen die zwiespältige Krankheit Alkoholismus hat er dagegen schon vor Jahren aufgegeben.

Andererseits ist es auch gut so, dass Juhnke seine Ruhe hat. Und noch besser ist es, dass das, was Juhnke in der Öffentlichkeit verkörpert, das Stehaufmännchentum auch nach dem schlimmsten Exzess, das Herunterspielen ernsthafter Gesundheitsgefahren und das schwammig-großzügige Wegwischen unentschuldbarer Entgleisungen wie die „Nigger“-Beleidigungen an einen schwarzen Wachmann in den USA, auch endlich ein Ende hat. Die Menschen haben Juhnke viel verziehen, sogar Unverzeihliches, denn hinter einem so großen, so schwachen Mann kann man sich gut verstecken. Vor allem seine eigenen, ähnlichen Fehler, wie beispielsweise die zu starke Lust am Schnaps. So wie man den anderen aus der Berliner Alte-Schlingel-Riege ebenfalls gerne einiges nachsieht, etwa Rolf Eden sein lederhäutiges Mädchenbegrabsche.

Dass Juhnke jetzt in einer Pflegewohnanlage für Demenzkranke außerhalb von Berlin lebt und „Verse aus Molières Komödie ‚Der Geizige‘ murmelt“, wie es die Bunte, das selbst ernannte Betroffenheitsblatt für die intimsten Ups und Downs der Prominenten berichtet, ist furchtbar tragisch. Aber auch furchtbar absehbar. Wenn man sich in dieser Krankheit einrichtet, so wie der Ex-Vorzeige-Hallodri Juhnke es getan hat, schmeißt sie auf Dauer jeden um. Vielleicht hört mit Juhnkes lautem Umfaller, seinem Rückzug ins Privatleben auch die Leichtigkeit auf, mit der bis dahin damit umgegangen wurde.

1998 hat der damals 69-jährige Juhnke die lebensbejahende Biografie „Meine sieben Leben“ veröffentlicht. Jetzt, drei Jahre später, hat er seine Energie denn doch weitgehend aufgebraucht, ob nun gewollt oder vom Teufel Alkohol gezwungen. JENNI ZYLKA

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