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: Die Crux mit der Olympiabewerbung

Was bringen die Spiele für wen?

Fünf deutsche Städte respektive Regionen machen sich Hoffnungen auf die Austragung der Sommerspiele 2012, die das Internationale Olympische Komitee (IOC) in knapp vier Jahren vergeben wird. Diese Sehnsucht nach Olympia ist überraschend, denn nie war der Weg zu einer erfolgreichen Bewerbung steiniger als heute. Nie wurden höhere technische, organisatorische und finanzielle Anforderungen an die Bewerberstädte gestellt, nie kostete eine solche Kampagne mehr Geld und Zeit, und vor allem: Nie zuvor war die nationale wie internationale Konkurrenz so groß.

Das zeigt eine Studie, in der sich Peter Schollmeier mit den Bewerbungen in der 107-jährigen IOC-Geschichte auseinander setzt. Danach sollten sich die aktuellen Bewerber mit der Historie besser schnell vertraut machen, schließlich müsse jeder einzelne Bewerbungszyklus „zwingend vor dem Hintergrund der vorangegangenen Geschichte der Bewerbungen“ betrachtet werden. Schollmeiers mutiges Vorhaben: Anhand der bisherigen Voten das „Abstimmungsverhalten der IOC-Mitglieder aufzuzeigen und herzuleiten“ und schließlich am Beispiel der Wahl für die Spiele 2004 den Beweis zu führen, dass der Gewinner nur Athen heißen konnte.

Im August 1945 beschloss die Exekutive des IOC, schon 1948 wieder Spiele stattfinden zu lassen. Die vier Kandidaten aus den USA waren ohne Chance, denn, so formulierte ein Schreiben der Exekutive, eine Reise in die Staaten wäre vielen Athleten zu teuer gewesen. London hingegen pries man an gleicher Stelle: Die technischen Anlagen seien ideal, und die Baracken der amerikanischen Soldaten könnten bequem als Olympisches Dorf dienen. Und so verkündete IOC-Präsident Sigfrid Edström auf der nächsten Session mit London denn auch das gewünschte Ergebnis.

Schollmeier setzt für 1948 eine Zäsur; bis dahin hätten IOC-Präsident oder Exekutive den Veranstaltungsort mehr oder weniger akklamiert. Die Zahl der Bewerber erhöhte sich fortan, weil die Ideale der Olympischen Bewegung (Friedensidee, Völkerverständigung) zunächst den Zeitgeist trafen. Nach der Entscheidung für Mexiko-Stadt 1968 gerieten die Spiele bald zu einer „nationalen Selbstdarstellung“, deren teure Ausstattung sie aber in eine tiefe Krise stürzte. Erst als Los Angeles 1984, das 1978 der einzige Bewerber gewesen war, mit einem Gewinn abschloss, wurden die fünf Ringe wieder attraktiver. Von nun an kam es zu einer „Professionalisierung der Bewerbungstechnik“, die allerdings oft, etwa im Fall von Berlin 2000, so professionell nun auch wieder nicht war.

Das Buch fasst die relevanten Bedingungen und Entwicklungen der Bewerbungsgeschichte in systematischer Form zusammen, ergo: Innere und äußere Faktoren beim Wahlverhalten der IOC-Mitglieder, technische Vorgaben und auch grundsätzliche Vorschriften des IOC wie etwa die Olympic Charta oder der so genannte Host City Contract, die Verpflichtungserklärung der Austragungsstadt. Die Bewerbung Sydneys aus dem Jahre 1993 dient als Muster, um schließlich das darauf folgende Verfahren anno 1997 ausführlich zu analysieren.

Auch wenn dies ungewöhnlich detailliert geschieht: Die These Schollmeiers, Athen habe schon vorher als Gewinner festgestanden, ist nicht überzeugend, schließlich wurden seinerzeit vor allem Rom (das mehr Gewinn versprach) und Kapstadt (das den universellen Anspruch Olympias unterstrichen hätte) als Favoriten genannt. Schollmeier spricht – angesichts der gescheiterten Kampagne Athens für die Jubiläumsspiele 1996 – von emotionalen Gründen, die auf der IOC-Session in Lausanne für Athen sprachen. Der verbreiteten Ansicht, dass die Sümpfe der Korruption, in denen das IOC seinerzeit versank, eine Rolle spielten, will diese Studie indes keinen Glauben schenken.

Und doch ist das Buch interessant für aktuelle Kampagnen, denn es enthält auch einige gute Ratschläge. Nicht das Motto „Was bringen die Spiele meiner Stadt“ sei entscheidend, heißt es etwa im Geleitwort, sondern „Was bringen die Spiele in meiner Stadt der olympischen Bewegung“. Wäre interessant zu wissen, ob Hamburg, Frankfurt, Düsseldorf, Leipzig und Stuttgart darüber schon einmal nachgedacht haben.

ERIK EGGERS

Peter Schollmeier: „Bewerbungen um Olympische Spiele“. Carl-und-Liselott Diem-Archiv Köln 2001, Books on Demand, 305 Seiten, 29, 65 € (58 DM)