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Es wird weitergebrochen

Tödlicher Brechmitteleinsatz: Obduktion klärt die Todesursache Hirnschaden – mehr nicht. Strafanzeige gegen Verantwortliche erstattet  ■ Von Peter Ahrens

Die Todesursache ist klar, alles andere lässt Fragen offen. Der 19-jährige Achidi J. ist an einem Hirnschaden in Folge von Sauerstoffmangel gestorben – das ist das Ergebnis der Obduktion, das die Hamburger Staatsanwaltschaft gestern bekannt gab. Ein Hirnschaden, wie er entstehen kann, wenn nach einem Herzstillstand nicht erfolgreich oder rechtzeitig reanimiert wird.

Die Leiche des jungen Mannes, dessen Herz bei einem Brechmitteleinsatz in der Rechtsmedizin des UKE stehen geblieben war, wies zudem Einblutungen in Luft- und Speiseröhre auf. Die könnten daher rühren, dass es mehrerer Versuche bedurfte, bevor dem 19-jährigen Kameruner eine Magensonde eingeführt werden konnte. Für den Sprecher der Staatsanwaltschaft, Rüdiger Bagger, ist es aber auch denkbar, dass diese Verletzungen erst eintraten, als dem Mann die Drogenkügelchen, die er verschluckt hatte, mit einem Schlauch aus dem Magen geholt wurden.

Das Institut für Rechtsmedizin hatte Achidi J. am Donnerstag in Anwesenheit von Hamburger Staatsanwälten in Berlin obduziert und spricht nun davon, dass „keine Anhaltspunkte für größere äußere Verletzungen festgestellt“ worden seien. „Druckstellen haben Sie in solchen Fällen natürlich immer, wenn Sie versuchen, den Menschen für einen Brechmitteleinsatz zu fixieren“, versucht Bagger diese Formulierung zu interpretieren.

Die Obduzenten nehmen jetzt noch weitere „feingewebliche Untersuchungen“ vor, um zu klären, woher die inneren Verletzungen in Luft- und Speiseröhre stammen. Völlig ungeklärt ist auch noch, wie lange es nach der Feststellung des Herzstillstandes dauerte, bis Achidi J. wiederbelebt wurde. Dies sei Gegenstand der staatsanwaltschaftlichen Voruntersuchungen, erklärte Bagger. Danach werden die Protokolle des Brechmitteleinsatzes geprüft und die anwesenden PolizistInnen sowie die UKE-Ärztin, die das Brechmittel verabreichte, vernommen.

Gegen die Medizinerin wurde inzwischen Strafanzeige erstattet. Eine Gruppe von 39 JuristInnen, WissenschaftlerInnen und Mitgliedern von Flüchtlingsorganisationen hat gemeinsam den Anzeigetext aufgesetzt, nach dem „allen Verantwortlichen in diesem Fall“ vorsätzliche schwere Körperverletzung mit Todesfolge vorgeworfen wird. „Wir wollen die Angelegenheit auf jeden Fall weiterverfolgen“, sagt Norman Paech, Völkerrechtler an der Universität für Wirtschaft und Politik (HWP), als einer der AnzeigeerstatterInnen. Rechtsanwalt Josef Graeßle-Münscher betont, dass man auch die politischen Verantwortlichkeiten dabei im Auge habe. Die Anzeige richtet sich daher auch explizit an die Behördenspitze. „Unserer Auffassung nach sind auch der alte und der neue Senat für den Tod von Achidi J. verantwortlich“, machen die ErstatterInnen in einer Erklärung deutlich.

Der neue Senat hat seit dem Vorfall am Sonntag nach Schätzung der Justizbehörde mindestens vier neue Brechmitteleinsätze durchgeführt.

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