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Hässlicher Streit um schöne Künste

Seit 30 Jahren debattieren die Kulturpolitiker über eine Nationalstiftung. Jetzt ist sie zum Greifen nahe, doch die Länder stellen noch Bedingungen

von BRIGITTE WERNEBURG

Er will es sein, der den Traum Willy Brandts verwirklicht. Die Nationalstiftung für Kultur, die der erste SPD-Kanzler einst visionierte – Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin will sie endlich aus der Taufe heben. Doch davor steht die Kulturhoheit der Länder, die bereits eine eigene Kulturstiftung haben. Und die Länder zeigen sich renitent. Übermorgen treffen sich die Ministerpräsidenten mit Bundeskanzler Schröder – und dabei setzt Nida-Rümelin auf eine Einigung: „Weitere Verschiebungen kann es nicht geben, 30 Jahre sind genug.“

Welche Kulturaufgaben haben tatsächlich eine solche Bedeutung, dass sie nur durch eine Bundesstiftung zu fördern sind? Die Frage beantwortet der Staatsminister mit einem Vier-Säulen-Modell. „Objekte“: Das meint die Förderung der zeitgenössischen Künste, aber auch die Rückführung von Beutekunst aus dem Zweiten Weltkrieg. „Prozesse“: Darunter fallen der internationale Kulturaustausch oder die kulturelle Integration von Einwanderern. „Denkmalschutz“: Dabei geht es um Schutz und Erhaltung des Kulturerbes. „Treuhänderische Aktivitäten“: Hier will der Bund Stiftungen anderer Träger verwalten, die so Verwaltungskosten sparen.

Kein Alleingang

Um eine Kooperation mit den Ländern hat sich Nida-Rümelin stark bemüht. Er warb dafür, die bestehende Kulturstiftung der Länder mit der neuen Nationalstiftung zu fusionieren. Lehnen die Ministerpräsidenten das ab, müsste der Staatsminister seinen Weg alleine gehen, was juristisch riskant ist. Denn auch ihm fällt es schwer, eine Bundeskompetenz zum Organisieren von Ausstellungen oder zum Erteilen von Kompositionsaufträgen nachzuweisen. Ein Alleingang wäre für Nida-Rümelin allerdings vor allem eine politische Niederlage.

Der Haushaltsausschuss des Bundestags hat den renitenten Landesfürsten schon einmal den roten Teppich ausgerollt. Der Etat der Stiftung soll im Jahr 2002 zunächst 12,8 Millionen Euro betragen. Bis 2004 wächst er dann auf 38,4 Millionen Euro jährlich an. Das ist nicht rasend viel. Doch es ist auch nicht wenig: Die Kulturstiftung der Länder bringt bislang nur 16,4 Millionen Euro im Jahr auf. Und davon steuern die Länder nur die Hälfte bei, die andere Hälfte kommt bereits vom Bund. Tragen die Länder die Nationalstiftung mit, stünden ihr bis zu 54,8 Millionen Euro zur Verfügung.

Angesichts dieser Summen können die Kultusminister der Länder diesem Paket auch einiges abgewinnen – vor allem in den neuen und kleineren Ländern, die auf finanzielle Hilfe angewiesen sind. So glaubt die brandenburgische CDU-Ministerin Johanna Wanka, die Bund-Länder-Kooperation habe sich im Kulturbereich bewährt (siehe Interview). Auch Sachsen-Anhalt hat die Verhandlungen vorangetrieben. Ministerpräsident Reinhard Höppner (SPD) hofft, dass die künftige Stiftung in seinem Bundesland angesiedelt wird. Die historischen Gemäuer der Francke’schen Stiftungen in Halle, ließ Höppner vorsorglich wissen, seien bestens geeignet. Aber auch der nordrhein-westfälische Kulturminister Michael Vesper von den Grünen zählt zu den frühzeitigen Befürwortern der Bundeskulturstiftung.

Doch inzwischen liegt die Entscheidung über die Bundeskulturstiftung eine Ebene höher, bei den Ministerpräsidenten. Ausgerechnet Verspers Ministerpräsident Wolfgang Clement hat im Sommer eine Debatte über die „Entflechtung“ der Aufgaben von Bund und Ländern angestoßen. Genau daran droht die geplante Bund-Länder-Stiftung jetzt zu scheitern. Über die Errichtung einer nationalen Kulturstiftung möchte Clement erst dann verhandeln, wenn der Bund die Forderungen des Ministerpräsidenten erfüllt und Kompetenzen an die Länder zurückgibt.

Seite an Seite mit dem Düsseldorfer SPD-Politiker ficht das CSU-regierte Bayern. Der Münchner Kulturminister Hans Zehetmair fürchtet, dass sich der Bund bei der geplanten Stiftung „für einen kleinen Obolus Zuständigkeitsbereiche der Länder unter den Nagel reißt“. Mit einer schnellen Einigung rechnet er nicht: „Die Zielsetzung, dies bis März 2002 hinzubekommen, ist ehrenhaft, aber ich habe da meine Zweifel.“

So lange will Julian Nida-Rümelin nicht warten. Inzwischen haben die Länder Kompromissbereitschaft signalisiert. Damit sie der Kulturstiftung zustimmen könnten, müsse die Rückführung der Bundeskompetenzen nur „in Gründzügen“ vereinbart sein. Darüber werden die Länderchefs am Donnerstag mit dem Kanzler feilschen.

Förderdschungel lichten

Die Kultur bringt der abstrakte Streit um Kompetenzen nicht weiter. Den Gegenwartskünsten wäre schon außerordentlich geholfen, wenn der Förderdschungel einfach einmal kartografiert würde, in dem sich Länder und Gemeinden, Bund und Europäische Union, aber auch private Gönner tummeln. Würde der Staatsminister eine Arbeitsgruppe einrichten, die sämtliche Förderprogramme, Preise oder Ausschreibungen auf einer Datenbank zugänglich machte – eine Bundeskulturstiftung wäre weitgehend überflüssig. Jedenfalls, was die Innovationseffekte für die zeitgenössischen Künste betrifft. Wer ohne zeitaufwändige Recherche alle Fördermöglichkeiten überblickt, dürfte in der Bundesrepublik kaum mehr ohne Geld und institutionelle Rückbindung dastehen.

Nida-Rümelin ist aber vom Ehrgeiz befeuert, direkt in die Förderung der zeitgenössischen Künste einzusteigen. Und er weiß: Ein Politiker, der selbst als Mäzen auftritt, weckt nur unnötige Widerstände. „Eine Stiftung, die ein bisschen staatsferner ist, hat natürlich mehr Sympathie, als wenn der Bundeskulturminister direkt über sein Haus Projektmittel anbietet und vergibt.“ Sagt die brandenburgische Ministerin Johanna Wanka – die freilich offen für die Stiftungsidee wirbt.

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