Der Popelteddy

Ich bin zehn, Trennungskind, und gerade mit Mutter nach Hannover gezogen, weg vom Vater. Nur gut, dass ich Heiligabend aber trotzdem bei ihm und seiner neuen Frau fei-ere. Auch Freunde von ihm sollen zum Mitfeiern kommen. Ich kenne beide schon lange, ihm habe ich vor neun Jahren auf den Schoß gepinkelt. Ich will ihnen auch etwas schenken. Also backe ich einen Schokokuchen in einer Teddyform, glasiere ihn mit Schokolade und verziere ihn mit Sonnenblumenkernen. Im Zug habe ich Angst, dass er kaputtgeht. Ich bin ja so stolz.

Abends das übliche Ritual: Weihnachtsbaumschmücken, wir alle machen uns nett, Vater kocht und brät Gans, Rotkohl, Kartoffelbrei. Die Gäste kommen. Es gibt Geschenke und alle freuen sich. Ich bin ja so stolz auf den Teddy. Wir essen, die Großen trinken viel. Ich mag das nicht, wenn alle so laut reden, lachen, rot werden und schwitzen, aber es ist schließlich Weihnachten. Dann der Bekannte: „Jetzt mal ehrlich, Du hast doch heimlich Popel in den Kuchen getan.“

Ich denke, er macht einen Scherz, kann aber nicht lachen, bin doch so stolz und verneine. Er beharrt darauf, dass ich Popel untergemischt habe, dass machten Kinder doch so. Nun nehme ich ihn ernst, ich beharre darauf, es nicht getan zu haben. Er macht weiter, bis ich heule, und lacht mich aus. Der einzige Weg, den ich sehe, ist die Flucht. Flucht in die Rumpelkammer.

Da bleibe ich sitzen, zwei Stunden lang. Mein Vater versucht alles: trösten, erklären, Gummibärchen. Aber erst als er verspricht, mir das Geheimnis einer Espressomaschine zu erklären, bin ich bereit, zumindest in die Küche zu kommen, um zu sehen, wie sie funktioniert. Außerdem weiß ich, nur noch den Espresso abwarten, dann geht der „Freund“ endlich nach Hause. Wie alle Großen meistens nach dem Espresso gehen. mlf