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Die außerirdische Sumoringerin

Imogen Kimmels Film „Secret Society“ will eine kleine Ehegeschichte erzählen, zieht sich aber zu weite Kleider an

Es gibt Filme, denen sitzt die Fiktion auf den Hüften wie ein zu großes Kostüm. Ihr Plot fällt zu klein aus für die imaginäre Szenerie, die sie entfalten. Sie bedecken sich mit flatterhafter Fantasie, bis das, was sie erzählen wollen, unkenntlich wird unter der Klamotte. Das tut keiner Seite gut: weder der überschießenden Einbildungskraft noch dem Bemühen, eine kleine, unspektakuläre Geschichte zu schaffen. Was von dem Missverhältnis bleibt, ist vor allem der Eindruck des Unplausiblen.

„Secret Society – Der Club der starken Frauen“ ist so ein Film, obwohl er doch, in seltsam paradoxer Volte, von Hüften, Bäuchen und Hintern erzählt, die zu groß geraten sind. Es geht um eine junge Frau, Daisy (Charlotte Brittain), die dick ist, deswegen wenig Selbstvertrauen hat und trotzdem zu sich selbst finden wird. Und es geht um einen jungen Mann, Ken (Lee Ross), ihren Ehemann, der sie liebt, aber nicht an sie glaubt und daher lernen muss, auf sie zu bauen. Eigentlich ist das schön, unspektakulär eben, angesiedelt in einer nordenglischen Kleinstadt, in einem Unterschichtsmilieu, das der britische Film schon oft zum Vibrieren gebracht hat. Doch Imogen Kimmel, die Regisseurin, steckt den einfachen Plot in zu weite Kleider. Das eine ist das Sumoringen, das andere sind Ufos. Jenem widmet sich Daisy, diesen ihr Mann. Und je mehr sie sich durch den Kampfsport um das eigene Selbstvertrauen verdient macht, umso weiter treibt er in ein Paralleluniversum ab, dorthin, wo man fest an Außerirdische glaubt. Bis er seine Frau schließlich in seinem Wahn wieder trifft: als eine, von der die Aliens Besitz ergriffen haben.

Die Ehefrau als ein Wesen, so fremd, dass man sie für ein Alien hält – kaum ist dieser nahe liegende Effekt verpufft, führt die Konstruktion in die Irre. Vom Verhältnis zwischen Ken und Daisy lenkt sie nur ab. Ähnlich verhält es sich mit dem Sumoringen. Anders etwa als ein Film wie „Girl Fight“, der das Boxen seiner Protagonistin ernst nimmt, bleibt das Ringen in „Secret Society“ eine erweiterte Teezeremonie. Ein exotisches Ritual, nicht mehr. Man will Daisy nicht glauben, dass sie Kraft hat, kämpft, schwitzt, siegt und unterliegt.

Was bleibt, sind ein paar schöne Augenblicke, etwa in der Konservenfabrik, von der aus Daisy ihren Weg in den Geheimbund der Ringerinnen findet. Wenn sie mit pinkfarbenen Gummihandschuhen über die Masse der grünen Erbsen streicht, ergibt dies immerhin den Anfang einer Farbdramaturgie. Von dieser Art Stoff hätte „Secret Society“ mehr vertragen könne. CRISTINA NORD

„Secret Society – Der Club der starken Frauen“. Regie: Imogen Kimmel. Mit Charlotte Brittain, Lee Ross, Annette Badland u. a., Deutschland/Großbritannien 2000, 95 Min.

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