Keine Entschädigung trotz Zwangsarbeit

American Jewish Committee: Hunderttausende Zwangsarbeiter werden kein Geld erhalten. Frist läuft in fünf Tagen aus

BERLIN taz/ap ■ Das American Jewish Committee erwartet, dass sehr viele ehemalige Zwangsarbeiter keine Entschädigung erhalten werden, weil sie keine ausreichenden Nachweise über ihre Zwangsarbeit in der NS-Zeit liefern können. Deidre Berger, Leiterin des deutschen Büros des American Jewish Committee in Berlin, sagte der taz, „es wird leider eine sehr hohe Zahl sein, wohl einige hunderttausend“. Sie verlangte, dass ehemalige Zwangsarbeiter auch dann eine Entschädigung erhalten, wenn sie ihre Sklavenarbeit im Nationalsozialismus nicht detailiert nachweisen können. Berger sprach sich dafür aus, die in diesem Dezember ablaufende Frist zur Einreichung von Entschädigungsanträgen nochmals zu verlängern.

Unterdessen scheint die Rechtssicherheit der Stiftung zur Entschädigung ehemaliger NS-Zwangsarbeiter durch eine neue Klage in den USA in Gefahr zu sein. Gegen den Baukonzern Hochtief hat der ungarische Jude Tibor Deutsch geklagt, dessen Bruder 1944 von einem KZ-Aufseher erschlagen worden war. Seine vor einem Jahr eingereichte Klage hatte sein damaliger Anwalt im Zuge der Entschädigungsverhandlungen gegen seinen Willen zurückgezogen. Nun reichte ein neuer Anwalt sie nochmals beim Berufungsgericht ein, berichtet die deutsch-jüdische Zeitung Aufbau.

Der Sprecher der Stiftungsinitiative der Wirtschaft, Wolfgang Gibowski, forderte gestern, dass der Fall von US-Gerichten zurückgewiesen werden müsse. Die amerikanische Regierung hatte sich verpflichtet, bei weiteren Fällen den Gerichten die Abweisung der Klagen zu empfehlen. Daraufhin hatte der deutsche Bundestag Rechtssicherheit festgestellt.

Experten der Stiftung und des Auswärtigen Amtes haben laut Aufbau jedoch geraten, die neue Klage ernst zu nehmen. Der Anwalt des Klägers erklärte zudem, sein Mandant falle unter den Torture Victims Protection Act, der es Opfern von Menschenrechtsverletzungen aus aller Welt erlaubt, die Täter in den Vereinigten Staaten auf Schadensersatz zu verklagen. OES

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