Der fast ewige Neumann

■ Der Bremer CDU-Landesvorsitznde feiert am Sonntag seinen 60.Geburtstag und hat natürlich auch seinen Freund Helmut Kohl eingeladen

Bernd Neumann, das Phänomen, wird am Sonntag 60 Jahre alt. Er ist der „dienstälteste“ Landesvorsitzende unter den deutschen Partei-Politikern, seit 22 Jahren führt er den kleinen Bremer Landesverband der CDU. Mit 96 Prozent der Delegiertenstimmen wurde er jüngst wiedergewählt, ein realsozialistisches Ergebnis. Innerparteiliche Opposition kennt Neumann praktisch nicht. Seinen größten Erfolg in Bremen, so sieht es jedenfalls die von seinem eigenen Landesverband herausgegebene Pressemitteilung, hat er dadurch erreicht, dass er sich selbst auf die Rolle im Hintergrund zurückzuog und „profilierte Persönlichkeiten von außen für die CDU gewinnen“ konnte: Ulrich Nölle, den lächelnden Sparkassen- Vorstand, der dann für die Politik doch nicht gemacht war, Hartmut Perschau, den erfahrenen langjährigen CDU-Spitzenmann aus Hamburg, Josef Hattig, den vor dem Rentenalter stehenden Becks-Geschäftsführer. Die CDU-eigene Mitteilung stolz: „Diese Entscheidungen trugen wesentlich dazu bei, dass die Bremer CDU bei der Bürgerschaftswahl 1999 mit 37,1 Prozent das beste Ergebnis ihrer Geschichte erreichte.“

Selbst ist er nie Minister geworden oder auch nur Senator in Bremen. Auch nach zwei Wahlperioden als „kleinerer“ Partner der großen Koalition hat die CDU in Bremen kaum eine Chance, ein Mal den ersten Mann im Rathaus zu stellen – die überwiegende Zahl der Positionen im „vorpolitischen Raum“ in Bremen sind fest in SPD-Hand, und auch rein numerisch hat nach den derzeitigen Umfragen die CDU keine Chance, ihr „bestes Ergebnis“ zu übertreffen. Aber es wäre ungerecht, die Erfolgsgeschichte des Bernd Neumann an solchen Maßstäben zu messen.

Neumann hat sich in den Wahlperioden an der Spitze der CDU halten können, in denen er scharfzüngig und doch erfolglos gegen die SPD-Mehrheit in Bremen opponierte. Und als Neumann andere in Bremen zu „Spitzenkandidaten“ machte, die mehr Erfolg hatten als er selbst, blieb er dennoch als Landesvorsitzender unangefochten, abgesehen von einem eher stolpernden Versuch des Sparkassen-Mannes Ulrich Nölle, der sich bald darauf aus dem Senat und dann ganz aus der Politik wieder zurückzog.

Was ist das Besondere an Bernd Neumann? Mathias Henkel, ein querköpfiger Außenseiter in der CDU, der auf einem der hinteren Plätze in die Bürgerschaft eingezogen ist, ist einer von denen, die von den Qualitäten seines Parteivorsitzenden überzeugt sind. „Ich habe da nie eine Alternative gesehen“, sagt er, und: „Ich frage mich, was nach ihm kommen soll.“ Als erste Qualität seines Vorsitzenden: Bernd Neumann versteht er, „geschickte Personalpolitik zu machen, und dabei kann er auch über seinen eigenen Schatten springen, wenn es für die Partei erforderlich ist.“ So schafft es Neumann, immer wieder Brücken zu bauen.

Einer, der immer wieder im Verdacht stand, Neumann loswerden zu wollen, ist der derzeitige Fraktionsvorsitzende Jens Eckhoff. Neumann hat sich so dafür eingesetzt, dass Eckhoff dieses Amt übertragen bekommt, dass der ihm kaum noch böse sein kann.

„In der CDU gibt es viele Invidualisten, viele haben auch in ihrem Beruf Erfolg und Anerkennung – die lassen sich nicht so einfach einnorden wie Leute, die ihre Karriere der Partei verdanken“, beschreibt Henkel die Aufgabe. Er selbst sieht sich durchaus auch als einen dieser Individualisten. Neumann versteht es zu moderieren. Und Neumann ist absolut loyal – und erwartet Loyalität. Kaum jemand hat Henning Scherf über Jahre so hart angegriffen wie Neumann. Dass sich beide in der großen Koalition gut verstehen, ist für Henkel kein Opportunismus: „Nicht Neumann hat sich geändert, Scherf ist vom Saulus zum Paulus geworden.“

Was Loyalität für Neumann bedeutet, wird für Parteigänger Henkel vor allem an seinem Verhältnis zu Kohl deutlich: Dem Mann, der gerade halb so lange Kanzler war wie Neumann Landesvorsitzender, verdankt Neumann den Höhepunkt seiner politischen Karriere. Obwohl Neumann aus einem eher kleinen, unbedeutenden Landesverband der CDU kommt, machte Kohl ihn zum „parlamentarischen Staatssekretär“. „Er spricht oft von seiner Rolle als Staatssekretär“, sagt Henkel, von seiner „großen Zeit“, und das „auch mit einem gewissen Stolz“.

Und Kohl hatte das Glück, der Kanzler der Einheit zu sein – 1990 schickte er Neumann als „Berater“ der CDU-Allianzparteien in die gewendete DDR. Für Neumann, der im ehemaligen Westpreußen in Elbing 1942 geboren ist, bedeutete die Einheit Deutschlands auch emotional viel. Auch wenn es in der Öffentlichkeit darum viel böses Blut gibt – Neumann will diese Verbundenheit mit dem Kanzler nicht verstecken und hat ihn zum Geburtstag eingeladen. Wie er damals an der Einladung zum Neujahrsempfang festgehalten hatte, ganz ohne Opportunismnus.

Und Neumann weiß, dass die Führung einer Partei viel Arbeit bedeutet. Es gibt keine Sitzung des Landesvorstandes ohne ihn. Und in der bremischen Landespolitik „läuft nichts, ohne dass Neumann Einfluss nimmt.“ Und keine Sitzung der Bremer CDU-Spitze, auf der nicht Neumann zu Anfang ausgiebig berichtet und seine Meinung zur Lage erläuert – auch das ist eine selbstverständliche Geste, mit der der Führungsanspruch unterstrichen wird.

Klaus Wolschner

Von der Geburtstagsfeier mit Helmut Kohl und Angela Merkel am Sonntagabend berichtet die taz ausführlich am Dienstag