: „Schuld ist kein angemessenes Wort“
Theologen und Bürgerrechtler lehnen „Schuldbekenntnis“ der PDS in der Koalitionspräambel ab. Wolfgang Ullmann fürchtet Verdacht der Erpressung. Friedrich Schorlemmer warnt davor, die PDS zur Aufgabe ihrer Ideale zu zwingen
Der Theologe und DDR-Bürgerrechtler Wolfgang Ullmann hat an die Berliner Parteien appelliert, von der PDS keine weiteren „Schuldbekenntnisse“ zu verlangen. Diese Forderung werfe den Verdacht der Instrumentalisierung oder gar der „Erpressung“ auf, betonte der Theologe am Freitag.
Auch der Dessauer Kirchenpräsident Helge Klassohn sowie der Wittenberger Studienleiter Friedrich Schorlemmer wandten sich gegen Forderungen dieser Art. Die PDS könne gar nicht die Schuld eingestehen, die ihre Vorgängerpartei auf sich geladen habe, sagte Klassohn, der seit 1994 an der Spitze der Evangelischen Landeskirche Anhalts steht. „Schuld“ sei eine theologische Kategorie und in diesem Zusammenhang auch keine „angemessene Wortwahl“.
Hinter der Forderung nach einem „Schuldbekenntnis“ stehe jedoch, so Klassohn weiter, das „berechtigte Verlangen, dass sich die PDS noch einmal eindeutig mit ihrer Vergangenheit auseinander setzt“.
Ullmann, der zu den Mitbegründern der DDR-Oppositionsgruppe „Demokratie Jetzt“ gehörte, forderte in diesem Zusammenhang, dass sich die Partei in der geplanten Präambel zur Berliner Koalitionsvereinbarung beispielsweise zu den Repressionen gegenüber Sozialdemokraten äußert, zu denen es 1946 im Rahmen der damals in Ostdeutschland erfolgten Zwangsvereinigung von KPD und SPD gekommen war.
In dieser Präambel sollte nach Ansicht von Ullmann auch die heutige Position der Sozialisten zum Mauerbau Erwähnung finden. Allerdings wäre damit wahrscheinlich schon der erste Koalitionskrach vorprogrammiert, denn nur die PDS habe sich bislang klar für die Rückgabe der Mauergrundstücke an die seinerzeit enteigneten Eigentümer ausgesprochen. Die SPD hingegen hätte hierauf mit Blick auf die schwierige Haushaltslage verzichtet, unterstrich der frühere Bundes- und Europaparlamentarier.
Im Gegensatz zu Wolfgang Ullmann hält Friedrich Schorlemmer, selbst Mitglied der SPD und ebenfalls ein ehemaliger Bürgerrechtler in der DDR, die Erklärung zum Mauerbau, die die PDS bereits vorgelegt habe, für durchaus ausreichend. „Die PDS kann machen, was sie will: Es wird ihr immer zu ihrem Nachteil ausgelegt“, unterstrich er. „Wenn sie sich entschuldigt, wird ihr Heuchelei vorgeworfen. Tut sie das aber nicht, wird ihr vorgeworfen, sich noch nicht klar genug von ihrer Vergangenheit distanziert zu haben“, so Schorlemmer.
Der Theologe wandte sich weiter dagegen, die Mitglieder der PDS dazu zwingen zu wollen, ihre Ideale aufzugeben. Wenn man von ihnen verlange, dass sie sich kritisch mit ihrer Vergangenheit auseinander setzten, dann müsse man ihnen fairerweise auch zugestehen, dass sie sich kritisch zur Gegenwart äußerten und beispielsweise die vom Grundgesetz geforderte Sozialpflichtigkeit des Eigentums einklagten.
Die Präambel zum Koalitionsvertrag für den neuen Berliner Senat wollen SPD und PDS am kommenden Montag veröffentlichen. EPD
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen