: Jeden Tag ein Abenteuer Forschung
Seit Montag gibt es in Schweden eine Zeitung, die sich nur der Wissenschaft widmet. Tägliches Erscheinen geplant
STOCKHOLM taz ■ Schwedens Medienszene hat die Welt in den letzten Jahren vor allem mit Produkten aus dem qualitativ etwas niedrigeren Unterhaltungssektor beglückt: Gratiszeitungen und Robinson-Fernsehen. Am Montag dieser Woche kam zur Abwechslung mal eine Neuigkeit mit deutlich höherem Anspruch auf den Markt.
Dagens Forskning, was etwa mit „Forschungs-Tageszeitung“ übersetzt werden kann. Eine Zeitung, die ihre LeserInnen laut Untertitel mit dem Neuesten aus der Welt von „Wissenschaft und Kultur, Technik und Gesellschaft“ versorgen soll: Nachrichten, Reportagen, Diskussionsbeiträge. Ein ehrgeiziges Konzept, hinter dem als Geldgeber zwei Wissenschaftsstiftungen und ein Kulturverlag stehen.
Trotz seines Namens kommt man zu Beginn nur alle zwei Wochen heraus. Die Erscheinungs- frequenz soll sich nach und nach verdichten, ohne dass man sich nach außen auf einen genauen Zeitplan festlegen will. Chefredakteur Anders Björnsson: „Wir sehen die Situation so ähnlich wie mit der Wirtschaftspresse in den Achtzigerjahren. Da gingen auch Projekte an den Start, die sich jetzt mit wöchentlich einer oder mehreren Ausgaben fest etabliert haben.“ Die erste Nummer der – zur besseren optischen Unterscheidung von den in Schweden auf rosa Papier gedruckten Wirtschafts- und Sportzeitungen – in zartgelb erschienenen Dagens Forskning umfasst 40 Seiten im taz-Format und kostet mit 3,80 Euro am Kiosk etwa das Dreifache einer schwedischen Tageszeitung. Inhaltlich handelt man in der Startnummer Themen von der Genforschung über die Frage nach der tatsächlichen Zahl der Tschernobyl-Toten bis zum Datenschutz ab. Rund die Hälfte der Zeitung besteht aus Texten, die auch in die klassischen Feuilletons gepasst hätten, wie einen Text über die Geschichte der Werbeplakate für Militär- und Kriegsdienst, ein Interview zum Thema „Frauenquoten verschleiern die Benachteiligung der Frauen“ und die Geschichte vom Staat eingesetzter Spezialkommissionen, um kontroverse Themen erfolgreich beerdigen zu können: Von den Hexenprozessen bis zum Polizeieinsatz beim EU-Gipfel in Göteborg und der Sperrung der Konten von des Terrorismus Verdächtigen.
Halten die Folgenummern, was die Erstausgabe verspricht, so könnte Dagens Forskning tatsächlich eine Lücke zwischen den Populärwissenschaftszeitschriften mit ihrer langen Produktionsvorlaufzeit und den Wissenschafts- und Kulturseiten der Tageszeitungen mit ihren oft allzu zufälligen und platzbeschränkten Schlaglichtern auf Entwicklungen in Forschung, Gesellschaft und Wissenschaft schließen. Und durchaus ein interessantes Konzept auch über Schwedens Grenzen hinaus werden. Bei einer Bevölkerung Schwedens, die einem Zehntel der Deutschlands entspricht, geht man mit einer Auflage von 12.000 Exemplaren an den Start. 20.000 müsste man haben, um in die schwarzen Zahlen zu kommen. Hierfür bekamen die derzeit zwölf RedakteurInnen von den Geldgebern fünf Jahre lang Zuschüsse garantiert. Optimistisch rechnet man aber schon mit einer Auflage von 40.000. Anders Björnsson: „Das wären dann auch nur zehn Prozent aller im öffentlichen Dienst tätigen Akademiker. Unser Leserpotenzial wächst auch stetig, denn von den jüngeren Jahrgängen hat mittlerweile etwa jeder zweite irgendeine Art von akademischer Ausbildung hinter sich.“ AnzeigenkundInnen lockt man mit einer ganz unbescheidenen Selbsteinschätzung: „Mit uns sprechen Sie Schwedens am besten ausgebildete Leserschaft an.“REINHARD WOLFF
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