rot-rotes berlin: Die PDS ist etabliert
Für die SPD ist es ein riskantes Spiel: Das rot-rote Bündnis im Land Berlin bietet der PDS ganz neue Möglichkeiten zur bundesweiten Profilierung. Was in anderen Landesregierungen nicht recht gelang, wird in der Hauptstadt jetzt möglich: Mit prominentem Personal im Wirtschafts- und Kulturressort können die Sozialisten erstmals medialen Glanz verbreiten.
kommentarvon RALPH BOLLMANN
Den Sozialdemokraten droht dabei eine unbequeme Arbeitsteilung. Ihre Amtsträger, die Schlüsselressorts wie die Finanzverwaltung besetzen und außerhalb Berlins kaum bekannt sind, haben die lokalpolitische Kärrnerarbeit zu leisten. Die PDS-Politiker, allen voran Gregor Gysi, werden die Hauptstadtrolle nutzen, um ihre Partei auch im Westen populär zu machen – und sorgen im Sozialressort für die nötige Herzenswärme. Das ist dieselbe Konstellation, unter der die Berliner SPD schon in der alten Koalition mit der CDU zu leiden hatte. Der damalige Bürgermeister Eberhard Diepgen machte sich bei den Gewerkschaften beliebt, während die Sozialdemokraten den Stellenabbau einklagten.
Eine „Entzauberung“ der Regierungspartei PDS, um sie entweder zu integrieren oder zu entpopularisieren, wird es auf diese Weise nicht geben. Zwar wird sie bei der nächsten Wahl Mühe haben, ihr 50-Prozent-Ergebnis im Ostteil Berlins zu wiederholen, weil sie auf den Nimbus des Benachteiligten verzichten muss und für eine harte Sparpolitik mitverantwortlich wird. Zugleich aber hat sie sich als ganz normale Partei im System der Bundesrepublik etabliert.
Für die SPD ist die Aufwertung der PDS der Preis, den sie für ihre eigene Beweglichkeit in Ostdeutschland zahlen muss. Ohne rot-rote Bündnisse wären die Sozialdemokraten in den östlichen Bundesländern zu großen Koalitionen verdammt. Denn die Berliner Ampel-Versuche mit Gelb und Grün waren nur durch einen CDU-Skandal nebst künstlich erstarkter FDP möglich – und scheiterten denn auch.
Trotz aller Dementis: Rot-Rot ist eine Konstellation, die sich nach der Wahl im Herbst auch auf Bundesebene wiederholen könnte. Es gibt in Deutschland nur zwei Parlamente, in denen Ost und West zusammensitzen: das Berliner Abgeordnetenhaus – und den Bundestag. Hier wie dort ergab sich daraus ein Fünfparteiensystem. Gut möglich, dass sich für Schröder die Alternative genauso stellt wie für den Berliner Wowereit: Wenn er die große Koalition nicht will, bleibt nur eine fragile Ampel – oder eben Rot-Rot.
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