Charme-Offensive für Frauen

Gregor Gysi soll PDS-Senator für Wirtschaft, Arbeit und Frauen werden. Die Reaktionen reichen von „Super!“ bis „Ausgerechnet dieser Macho“. Aber kann dieser Mann Frauen verstehen?

von WALTRAUD SCHWAB
und ADRIENNE WOLTERDORF

Kaum kommt das Personalkarussell der PDS für den neuen Berliner Senat zum Stillstand, hat die Stadt die Debatte, die schon Brandenburg und Österreich umgetrieben hat: Kann ein Mann ein Minister für Frauenangelegenheiten sein? Natürlich, lautet die pragmatische Antwort. In Wien hat der FPÖ-Mann Herbert Haupt diese Position seit Oktober 2000 inne. Ab dem 17. Januar soll Gregor Gysi in Berlin der Mann für die Frauen sein. Die Reaktionen auf den PDS-Frauensenator reichen von „Wenigstens ein Linker“ bis „Widersinnig“. Aus autonomen feministischen Kreisen kommt ein resigniertes „Frauenfragen sind eben unbedeutend geworden“.

Für Stefanie Hömberg vom Berliner Frauennetzwerk reicht das Kriterium „weiblich“ nicht zwangsläufig für gute Frauenpolitik aus. Wer die Interessen der Frauen vertrete, müsse in erster Linie engagiert, interessiert und kompetent sein. Der Amtsträger müsse sich dafür einsetzen, dass die 0,07 Prozent des Berliner Etats, die bisher für das Frauenressort zur Verfügung stehen, nicht gekürzt werden.

Die Benachteiligung von Frauen – ökonomische, rechtliche, kulturelle und soziale Ungleichbehandlung – kann auch ein Mann thematisieren. Zweifel werden allerdings laut, ob Showstar Gregor Gysi, selbst jahrelang allein erziehender Vater, sein mediales Charisma auch für solch ein unattraktives Thema wie Gleichberechtigung in die Runde werfen wird. Während die Österreicher den in Wien eingeschlagenen frauenpolitischen Rückwärtsgang dahin gehend sarkastisch kommentieren, dass Haupt bereits über die Subventionierung von Männerstammtischen aus dem Frauenhaushaltstopf nachdenke, verkündet Anwalt Gysi, dass er sich für das neue Ressort Wirtschaft, Arbeit und Frauen „gar keinen Geeigneteren vorstellen kann“ als sich selbst. Gysi findet es wichtig, dass „Feminismus und Arbeit in einer Zuständigkeit“ sind. Alternativen zur politischen Verankerung der Frauenbelange wurden bei den Koalitionsgesprächen so gut wie nicht erörtert.

Dass „Frauen“ und „Feminismus“ nun von dem Anwalt, der in seiner Karriere viele Scheidungsfälle verhandelt hat, synonym gebraucht werden, mag Zufall sein. Meist hat Chefrhetoriker Gysi seine Reden aber unter intellektueller Kontrolle. Als Freud’sche Fehlleistung aber hätte er damit mehr über den Stellenwert des Frauenressorts gesagt, als es auf den ersten Blick scheint. Und zwar in zweierlei Hinsicht. Feminismusdebatten gelten mittlerweile als die Flokati-Teppich-Domäne einer Hand voll übrig gebliebener Quenglerinnen. Die Mehrheit der Frauen fühlt sich nämlich durch geschlechtsspezifische Berücksichtigung erst recht diskriminiert. Emanzipation ist halt Ansichtssache. Vielleicht meint der sozialistisch Geschulte die Verbindung von „Feminismus“ und „Arbeit“ aber auch ernst? Will er die gravierende Schlechterstellung von Frauen wirklich in Angriff nehmen? Möglicherweise bedeutet für Gysi die Ökonomisierung der Frauenfrage ja die Erweiterung der Wirtschafts- zur Gesellschaftspolitik. Nach marxistischer Denkart wäre die Frauenfrage ohnehin überwunden, wenn der Kapitalismus besiegt ist.

Doch geht es in Berlin weniger um die großen Systemfragen als um das Geschacher im Sumpf. Das macht Frauenbelange bereits seit Jahren zur Jongliermasse der Senatspolitik. Mal landen sie bei Arbeit und Gesundheit, nach dem Motto „Frauen und andere Behinderte“. Mal landen sie im Ressort Soziales, weil die strukturelle Benachteiligung im Vordergrund steht. Nun preist Rot-Rot es als Fortschritt, dass das Frauenressort mit Wirtschaft vereint wird. Nach Sibyll Klotz, Fraktionschefin der Grünen, befriedigt Gysi mit dem neuen Amt jedoch nur seine Neugier.

So sagte er 1999 in einem Interview in der Zeit: „Mein Traum ist es mit den Augen einer Frau sehen zu können, mir die Welt von der anderen Seite zu erklären, das Weibliche zu verstehen.“ Klotz und Parteikollegin Ramona Popp jedenfalls finden einen Frauensenator Gregor Gysi „lächerlich“.

Aus internen Kreisen ist zu erfahren, dass Gysi eigens für Frauenbelange eine Staatssekretärin zur Seite gestellt werden soll. Die Kandidatin sei schon gefunden, hieß es aus gut informierten Kreisen, medienerfahren und sachkundig sei sie. Der Name sei allerdings noch geheim. Medienerfahrung ist natürlich im Schatten des Maestros oberste Pflicht. Denn von Gysi lernen heißt siegen lernen.