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Regierungsparteien mit zittrigen Händen

Rot-Grün wirft mit Vorschlägen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit um sich. SPD-Fraktionschef Peter Struck kündigt Investitionsprogramm an

BERLIN taz ■ Die alarmierend hohen Arbeitslosenzahlen scheinen zu einem Ende der „Politik der ruhigen Hand“ von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) zu führen. Vertreter der Regierungsparteien überboten sich gestern mit Vorschlägen zur Reduzierung der Arbeitslosigkeit, nachdem der Kanzler für Anfang nächster Woche eine Entscheidung über staatliche Anreize für die Aufnahme von Billigjobs angekündigt hat.

Als erste Reaktion zeichnet sich dabei die bundesweite Übernahme des im rheinland-pfälzischen Mainz erprobten Kombilohnmodells ab. Bundesarbeitsminister Walter Riester nannte dieses Modell der Bezuschussung von Arbeitnehmersozialbeiträgen gestern einen „wichtigen Schritt auf dem Weg zu mehr Beschäftigung“. Bisher hatte der als gewerkschaftsnah geltende Riester Kombilohnmodelle vehement abgelehnt.

Die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Ursula Engelen-Kefer, erneuerte gegenüber der taz ihre Kritik an der generellen und dauerhaften Subventionierung von Niedrigeinkommen: „Die Unterstellung, dass sich niedrig entlohnte Arbeit wegen hoher Sozialtransfers nicht lohnt, ist längst wiederlegt.“ Der Fachkräftemangel zeige jedoch, dass die Ursache der hohen Arbeitslosigkeit vielmehr die mangelnde Qualifikation vieler Arbeitsloser sei.

SPD-Fraktionschef Peter Struck lobte dagegen das Kombilohn-Modell, über das in den nächsten Tagen entschieden werde. Derzeit prüfe das Arbeitsministerium, ob der Bund die Kosten des Programms vollständig übernehmen könne: „Das würde den Ländern die Zustimmung erleichtern.“

Darüber hinaus kündigte Struck eine Initiative zur Ausbildung von Geringqualifizierten an und die Verlängerung des milliardenschweren Zukunftsinvestitionsprogramm bis 2007 an, um die eingebrochene Baukonjunktur zu stützen: „Wir wollen insbesondere im Bereich Schienen- und Straßenbau öffentliche Investitionen vorziehen“, so Struck. Dem darüber hinausgehenden Acht-Punkte-Beschäftigungsprogramm der Grünen, das der kleine Koalitionspartner gestern bei seiner Fraktionsklausur in Wörlitz verabschiedet hat, erteilte der SPD-Fraktionschef eine Absage: „Ich sehe im Augenblick nicht, wie die Vorschläge alle finanziert werden sollen.“ Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen, Thea Dückert, kündigte daraufhin weitere Diskussionen mit der SPD an.

Opposition und Wirtschaftsverbände nutzten die Arbeitslosenzahlen zu heftigen Attacken auf die Bundesregierung. CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer meinte, die rot-grüne Koalition habe die Hoffnungen der Menschen enttäuscht und sei handlungsunfähig. FPD-Generalsekretär Guido Westerwelle sagte, das Bündnis für Arbeit sei gescheitert. Nötig seien durchgreifende Reformen und Steuersenkungen. Auch der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Norbert Walter, glaubt nicht, dass die von rot-grün angestrebten Reformen noch bis zur Bundestagswahl wirksam werden.ANDREAS WYPUTTA

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