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Von Klecker-Omas und Findel-Opas

Das Krisentelefon der Beratungsstelle „Pflege in Not“ hilft, wenn es bei der Pflege älterer Menschen zu Gewalt kommt. Die reicht bis zur körperlichen Züchtigung der Pflegebedürftigen. Oft melden sich die Täter – wenn sie zu Opfern geworden sind

Manchmal verbarrikadiert sie sich im Bad und drischt mit dem Handtuch minutenlang auf die Badewanne ein. Das bringt zwar kurzfristig Erleichterung, ändert aber nichts an der Situation. Die aber scheint aussichtslos. Seit Jahren pflegt die junge Frau ihre hinfällige Mutter. Nachtstuhl, Windeln, Füttern und Waschen sind die Geiseln ihres Alltags, die ihr die Luft nehmen. Jetzt ist sie an einen Punkt gekommen, an dem sie nicht mehr weiter kann. „Noch einen Tag länger, und es passiert ein Unglück“, sagt sie am Telefon.

Gabriele Tammen-Parr sitzt in einem kleinen Büro in Berlin-Kreuzberg und hört der verzweifelten Stimme am anderen Ende der Leitung zunächst mal nur zu. Die temperamentvolle Sozialpädagogin ist Leiterin von „Pflege in Not“, einer Beratungsstelle des Diakonischen Werkes, die Hilfe bei Konflikten und Gewalt in der Pflege älterer Menschen anbietet. Durchschnittlich 100 Menschen im Alter zwischen 20 und 80 Jahren rufen die Krisentelefon-Nummer 69 59 89 89 im Monat an. Tendenz steigend.

Bundesweit gibt es derzeit 14 entsprechende Einrichtungen, die sich 1999 in der Bundesarbeitsgemeinschaft der Krisentelefone, Beratungs- und Beschwerdestellen zusammengeschlossen haben. Die erste Beratungsstelle „Handeln statt Misshandeln – Initiative gegen Gewalt im Alter“ ist 1997 in Bonn eröffnet worden. Zwei Jahre später folgte „Pflege in Not“ in Berlin. Weitere Angebote gibt es unter anderem in München, Kiel und Hamburg.

Die meisten der Anrufer sind pflegende Angehörige, die wenigsten dagegen betroffene Patienten. Stark zugenommen hat in jüngster Zeit der Anteil von Pflegeheimpersonal und von Menschen, die Angehörige in Heimen untergebracht haben. Seit dem Start des Projektes nahmen Tammen-Parr und ihre Kollegin Dorothee Unger insgesamt rund 2.000 Anrufe entgegen, nur 3 davon waren anonym.

„Gewalt in der Pflege geht durch alle Schichten, und es gibt keine klassische Täter-Opfer-Rolle“, sagt die Sozialpädagogin. Oft würden sich die Täter selbst melden, weil sie zu Opfern geworden sind. Ursachen seien Überforderung, Aggressionen der Gepflegten, Schuldvorwürfe, Beziehungsprobleme zum Partner, eine schwierige Familiengeschichte oder soziale Isolation. Dabei gibt es keine eindeutige Definition von Gewalt. Sie reicht vom Ausschluss des kleckernden Großvaters von den Familienmahlzeiten bis zu körperlicher Züchtigung von Pflegebedürftigen. Die meisten Dramen spielten sich unbemerkt von der Öffentlichkeit zu Hause ab, unterstreicht Tammen-Parr. Von stationären Pflegeeinrichtungen wird dagegen am Telefon häufig die schlechte Atmosphäre sowie Lieblosigkeit und Zeitmangel des Personals kritisiert.

Gemeinsam mit den Anrufern suchen die beiden Beraterinnen und ihre sechs ehrenamtlichen Mitarbeiter nach einer Lösung der Probleme. Dazu gehören vor allem persönliche Gespräche, die genaue Untersuchung des häuslichen oder stationären Umfeldes, eventuell aber auch die Weitervermittlung in Angehörigengruppen. Patentlösungen, so Tammen-Parr, gebe es nicht. Pflegebelastung sei immer subjektive Empfindung.

Gegebenenfalls empfehlen sie eine radikale Veränderung der persönlichen und häuslichen Situation. „Auch die Empfehlung eines Pflegeheims für den Angehörigen ist für uns nicht tabu.“ Ein Erfolg gewesen sei zum Beispiel die Beratung einer Frau, der die jahrzehntelange Pflege der Mutter die Partnerschaft zu zerstören drohte. Nach mehreren Gesprächen legte sie die Mutter ihren Geschwistern, die sich bisher nicht gekümmert hatten, „buchstäblich vor die Tür“. Anschließend verreiste sie mit ihrem Freund nach Mallorca.

MARKUS GEILER/EPD

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