Die dickste Milchkuh heißt Berlin

Klaus Wowereit ist nicht nur Regierungschef, sondern auch Bauer. Dem Land Berlin gehören acht Höfe mit 6.000 Kühen. Die produzieren Milch in Unmengen, nur leider noch nicht ökologisch. Das soll sich laut Senat bald ändern

Den Kühen geht es gut. Ehrenwort. „Die haben alle Bewegungsfreiheit und eine Liegebox“ – so heißt es aus der Senatsverwaltung für Wirtschaft. Es muss ihnen auch gut gehen, denn die Milchkühe sind das Kapital der acht verbliebenen Stadtgüter, Bauernhöfe, die dem Land Berlin gehören.

Sie liegen alle nicht auf Berliner Staatsgebiet, sondern in Brandenburg. Im Besitz Berlins sind sie schon seit über einhundert Jahren. Damals sollten die Höfe die Versorgung der rasant anwachsenden Bevölkerung sichern und ihnen Erholung außerhalb der Industriestadt Berlin sichern. Sie mussten aber auch das Abwasser Berlins auf so genannten Rieselfeldern auffangen. Die sind seitdem völlig unbrauchbar: Zu groß war die Belastung mit Schwermetallen.

Doch die Rieselfelder machen nur knapp 13 Prozent der Gesamtfläche aus. 19.700 Hektar haben die Bauernhöfe zusammen, das ist fast ein Viertel der Fläche Berlins. Noch beeindruckender ist der Tierbestand: 12.500 Rinder stehen in den staatlichen Ställen, 6.000 davon Milchkühe. Sie liefern jährlich ungefähr 45 Millionen Liter Milch – Berlin ist Deutschlands Milchproduzent Nummer eins. Und obendrein ist die Milchproduktion eines der lukrativsten Segmente der Landwirtschaft. Sie ist nicht so stark von der Witterung abhängig: Wächst wenig Futtermittel auf den eigenen Feldern, kann zugekauft werden. Außerdem „gehört“ zu den Stadtgütern Deutschlands höchste Milchquote: 45 Millionen Liter jährlich.

In den Ställen der Hauptstadt geht es tiergerecht zu: Alle Güter wurden in den vergangenen Jahren saniert, haben moderne Melkanlagen und Kuhställe mit dem Siegel „Kuhkomfort“. Das Motiv ist aber nicht Tierliebe, sondern wirtschaftliches Kalkül: Letztes Jahr hat der Senat beschlossen, die Stadtbauernhöfe zu verkaufen. Dafür müssen sie in gutem Zustand und profitabel sein. Gewinn erwirtschaftete die Betriebsgesellschaft Stadtgüter mbH erstmals 1999. Gute Vorzeichen, aber der Verkauf ist an eine harte Bedingung geknüpft: Die Gütermüssen ökologisch bewirtschaftet werden.

Damit der Senat weiter die Aufsicht über die Bewirtschaftung behalten kann, wurden die Güter in zwei Gesellschaften aufgeteilt. Eine Grundstücksgesellschaft, die in Berliner Besitz bleibt und eine Agrargesellschaft die den eigentlichen Betrieb übernimmt. Von der stehen 75,1 Prozent zum Verkauf – mit dem Restbesitz sichert sich der Senat das Mitbestimmungsrecht über die Bewirtschaftung.

Wenn die acht Stadtgüter zu Ökobetrieben gemacht würden, wäre das ein gewaltiger Schritt für die ökologische Landwirtschaft in Brandenburg. Bislang gibt es nur ganz kleine Ökobetriebe. Die durchnittliche Größe eines Ökobauernhofs liegt in Deutschland bei knapp über 40 Hektar. Denn Ökolandbau ist risikoreich. Der Verzicht auf Pestizide gefährdet den Ernteertrag, Milchkühe geben ohne Kraftfutter weniger Milch.

Dieses Risiko ist die Betriebsgesellschaft bisher nicht eingegangen. Die Höfe werden konventionell bewirtschaftet, allerdings auf hohem Standard. Früh wurde etwa auf Tiermehl als Futter verzichtet, nicht erst seit der BSE-Krise. Der Vorteil der acht Stadtgüter ist ihre Größe: Hier könnte Ökolandbau im großen Stil betrieben werden. Und die Nachfrage ist viel versprechend. So ist in Großbritanien seit BSE und MKS der Bedarf an Biomilch aus dem Ausland gestiegen. Das sind auch für die Kühe rundum gute Aussichten. MARKUS MÜNCH