Das Modell wird nicht viel fruchten

Das SPD-Programm zum Kombilohn vermeidet soziale Härten – anders als das US-Vorbild. Der Erfolg ist gerade deshalb zweifelhaft

BERLIN taz ■ Die USA eignen sich immer gut als Vorbild: Sie schämen sich nicht, auch für zweifelhafte Errungenschaften Reklame zu machen – und sie sind schön weit weg, sodass es eine Weile dauert, bis man die Wirkungen ihrer Rezepte wirklich nachprüfen kann. Das amerikanische Jobwunder ist ein gutes Beispiel: Billigjobs wurden flächendeckend subventioniert und damit Millionen neuer Arbeitsplätze geschaffen. Doch bald nannte man sie verächtlich „McJobs“. Hamburgerketten, Pizzerien oder Reinigungsfirmen zahlten Gehälter unterhalb der Armutsgrenze. Das Finanzamt stockte den Hungerlohn auf.

Solche Härten will die Bundesregierung bei der Einführung des Kombilohns vermeiden, die der SPD-Vorstand gestern beschlossen hat. Deshalb wird das Modell auch nicht viel fruchten. Nur „bis zu 30.000“ neue Jobs bundesweit verspricht sich SPD-Fraktionschef Peter Struck von dem Programm. Nur wenige Elemente der „McJobs“ werden für das Kombilohnmodell übernommen, das bereits in Rheinland-Pfalz als „Mainzer Modell“ erprobt wurde. Und selbst die machen Probleme.

Arbeitsminister Walter Riester (SPD) wird nur diejenigen Geringverdiener unterstützen, die zuvor arbeitslos waren oder einen 325-Euro-Job hatten. Nehmen sie eine Arbeit auf und verdienen dabei weniger als 897 Euro im Monat, dann bekommen sie einen gestaffelten Zuschuss zu Sozialbeiträgen und Kindergeld. Für Alleinerziehende und Ehepaare liegt die Einkommensgrenze bei 1.707 Euro. Die Sozialbeiträge werden dann ganz oder teilweise übernommen, pro Kind kommen maximal 77 Euro dazu.

Die Erfahrungen mit diesem Mainzer Kombilohnmodell, das einst vom „Bündnis für Arbeit“ in Auftrag gegeben worden war, sind nicht besonders gut. Etwa 14.000 Jobs hatten sich die vier Modell-Arbeitsämter in Rheinland-Pfalz erhofft, ganze 838 Menschen konnten wirklich gefördert werden.

Warum? In den USA sind satte 45 Prozent der Beschäftigten gering qualifiziert und auf Billigjobs angewiesen. In Deutschland zählen nur 16 Prozent der Arbeitnehmer zu dieser Gruppe. Den Pool von Arbeitskräften, aus dem die US-Programme schöpften, gibt es also gar nicht. Zudem sind in Deutschland Facharbeiter weitaus mehr gefragt als NiedriglöhnerInnen. Deshalb fordert etwa Günther Schmidt vom Wissenschaftszentrum Berlin, der das Bündnis für Arbeit berät, Arbeitslose nicht nur in anspruchslosen Jobs zu subventionieren. Man müsse sie vor allem qualifizieren. Lediglich für Alleinerziehende und Teilzeitbeschäftigte sei das Modell aus Mainz attraktiv.

Ein weiteres Problem des Kombilohns ist die Konkurrenz auf dem Markt der Beschäftigungsprojekte. Strukturanpassungsmaßnahmen (SAM) und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) sind ungleich höher subventioniert. Warum sollte ein Arbeitgeber den teureren Kombilohn bevorzugen? Wenn der Kombilohn etwas bewirken soll, dann müssten tatsächlich die anderen Maßnahmen abgeschmolzen werden, meint etwa der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Klaus F. Zimmermann.

Die Gewerkschaften haben Angst, dass das Tarifsystem durch den Niedriglohn unterlaufen wird. Trotzdem äußern sie sich zum „Mainzer Modell“ moderat. Immerhin würden nur arbeitslose Neueinsteiger subventioniert und nicht alle Niedrigverdiener. Daraus ergibt sich aber zugleich ein Gerechtigkeitsproblem: Wer arbeitslos war, wird subventioniert, andere Billiglöhner dagegen nicht. Und: Im Mainzer Modell läuft die Förderung nach 36 Monaten aus. Was dann? HEIDE OESTREICH