piwik no script img

Ein teurer Spaß

Für einen Brief mit dem Absender „Djihad“ wurde ein 25-jähriger Student als Trittbrettfahrer verurteilt

Jens P. wollte nur einen blöden Witz machen. Mehr nicht. Er habe doch immer Scherze mit seinem Freund Patrick U. gemacht. Nur diesmal hatte dieser den Scherz nicht verstanden. Statt eines Lachers erntete P. eine Anzeige. Gestern verurteilte ihn das Amtsgericht Tiergarten zu 1.800 Euro Geldstrafe.

Am Vorabend des 17. Oktober letzten Jahres vereinbarte Jens mit Patrick telefonisch, ihm am nächsten Morgen eine Inspektionsliste für dessen Automobilzubehörbetrieb vorbeizubringen. Nach dem Telefonat fällt dem 25-jährigen Maschinenbaustudenten aber auf, dass er am nächsten Morgen keine Zeit hat. Er druckt deshalb die Inspektionsliste aus, steckt sie in einen Umschlag und fährt schnell zum Betrieb. Kurz bevor er den Brief dort in den Kasten steckt, überlegt er sich noch einen „Witz, ohne weiter drüber nachzudenken“. Er schreibt nur sieben Worte: „Dieser Brief wird ihr Leben verändern. Djihad.“ Und wirft ihn ein. „Ich weiß nicht, wie mir diese Worte in den Kopf gekommen sind“, versucht Jens das Ganze vor Gericht zu erklären.

Am 17. Oktober waren die Terroranschlägen in den USA einige Wochen her, alle Welt hatte Angst vor Milzbrandbriefen. Jens ahnt noch am Abend, dass sein Scherz missverstanden werden könnte. Vorsichtshalber schickt er Patrick per Handy eine Kurznachricht. „Schau in den Briefkasten“, so die SMS, als Absender – denkt Jens – wird sein Name im Display von Patricks Handy erscheinen.

Doch der hat die Nummer nicht gespeichert. So findet Patrick am Morgen den Brief, wundert sich über die SMS, überlegt und ruft schließlich die Polizei. „Im Nachhinein komme ich mir dämlich vor, dass ich das nicht verstanden habe“, sagte der 29-Jährige. Er sei sonst nicht ängstlich, habe gezögert, aber zu jener Zeit hätte man nichts ausschließen können.

Als Jens am Mittag zu Patrick in den Betrieb kommt und hört, was vorgefallen ist, glaubt er erst an einen Scherz. „Als er kapiert hat, dass ich keinen Witz mache und die Polizei wirklich da war, da ist er sehr kleinlaut geworden“, erinnert sich Patrick. Jens sei sofort zur Polizei gegangen in der Hoffnung, das Ganze noch zu stoppen. Doch für den Richter war die Tat mehr als ein blöder Scherz: In der damaligen Situation sei dadurch der öffentliche Frieden gestört worden, begründete er die Geldstrafe. Der Staatsanwalt hatte gar zusätzlich eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten gefordert, der Verteidiger Freispruch. SUSANNE AMANN

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen