dieter baumann über Laufen: Wenn Volker Finke in der Sauna auspackt
Schwerer Tordiebstahl an der Algarve: Wie Leichtathleten im Wintertrainingslager mit Fußballprofis kollidieren
Nach dem Training ging ich leicht vor mich hinträumend die Stufen des Hoteleingangs hoch. Ein junger Mann riss mich aus meinen Gedankengängen. „Wie fühlen Sie sich im Trainingslager? Ist ihre Form gut? Sind Sie ohne Familie da? Wann ist Ihr erster Start?“
Die Fragen schossen auf mich ein. Doch da der Mann sympathisch wirkte, antwortete ich brav. Erst die Frage nach meinem ersten Start weckte meinen Argwohn. Mit wem hatte ich es da eigentlich zu tun? War das noch ein Plausch unter Hotelgästen?
Mitnichten. Auf Nachfrage bequemte sich der Fragesteller, den Grund seiner Wissbegierde zu nennen.
„dpa Stuttgart“, murmelte er. Oder war er vom Kölner Express? Jedenfalls zuckte ich zusammen: War das hier etwa ein Interview? Im ersten naiven Anfall hatte ich die Fragen ja schon beantwortet.
„Beim Fußball machen wir das immer so.“ Sein Argument.
War ich nicht Läufer?
„Bei uns macht man das nicht so“, sagte ich und versuchte, streng zu schauen.
Das Hotel an der Algarve hatte bis vor drei Jahren noch keiner gekannt. Am wenigsten Journalisten. Doch als ich nun, aus meinen Träumen erwacht, einen konzentrierten Blick durch das Hotelfoyer schickte: wohin das Auge blickte – Fußballer. Im Hotel logierten die Teams aus Duisburg, Freiburg und Mönchengladbach. In der Nachbarschaft waren noch mehr. Und: Nicht nur dass die Bundesligisten in der Winterzeit Portugal für sich entdeckt haben, in den Spuren der Kicker sind auch die Berichterstatter da. Die Ruhe war dahin.
Ich versuchte, das Beste daraus zu machen, und beobachtete die Fußballprofis bei der Grundlagenarbeit. Aha. Arbeitsbeginn: sieben Uhr dreißig. Erster Programmpunkt: laufen. Davor Frühstück. Aber wo waren die Spieler des SC Freiburg? Keine Spur von ihnen.
Ausgerechnet Freiburg! Vor Jahren noch wurden sie wegen ihrer Laufarbeit im Spiel bewundert, wegen ihrer Laufarbeit im Training hingegen belächelt.
Ich erkundigte mich beim Freiburger Trainer. Liefen die etwa ohne Frühstück? Volker Finke schüttelte den Kopf. Nein, ein kleines „Etwas“ im Bauch sollte schon sein. Beim SC Freiburg hieß es: sieben Uhr dreißig Tee und Toast, dann laufen.
Ich wunderte mich: Waren Finke und sein Kotrainer Achim Sarstedt etwa in Kenia gewesen? Die kenianischen Läufer hatten mir die Angewohnheit des Good-Morning-Tea vor jedem Training beigebracht. Es stimmte, einen gewissen Wohlfühleffekt hatte es allemal, nicht ganz nüchtern auf die Piste zu gehen. Und danach, sagte Finke, „gibt es zur Belohnung ein ausgiebiges Frühstück“. Zuckerbrot und Peitsche? Es zieht eben noch immer, das uralte pädagogische Rezept, auch in der Bundesliga.
Wie gerne wäre ich mal mitgelaufen. Inzwischen ahnte ich auch, warum man den MSV Duisburg „die Zebras“ nennt. Das Trommeln der nicht immer leicht wirkenden Kickerbeine auf dem Boden lässt tatsächlich fast schon Bilder einer Wildpferdherde aufkommen.
Trotz vieler Versuche hat es aber irgendwie nie geklappt. Einmal kam dem MSV ein Spiel dazwischen, da war nichts mit sieben Uhr dreißig. Dann wieder standen für mich morgens Tempoläufe an. Und bei meinen 30 Kilometer-Dauerläufen wollte auch keiner mitmachen. Schade eigentlich.
Und dann stand der MSV Duisburg plötzlich auch noch ohne Tore da. Im Hotel wurde sofort gewitzelt, kein Wunder, deshalb seien die schließlich auch nur auf dem 14. Platz der zweiten Liga. Aber tatsächlich waren die vier tragbaren Tore vom Trainingsplatz verschwunden. Wo waren sie?
Der Kölner Express fand es heraus. Offensichtlich hatte ein Fotograf in der Sauna mit dem Freiburger Trainer um die Wette geschwitzt. Ohne sich vorzustellen. Beim scheinbar unverfänglichen Plausch zwischen Aufguss und Ruheraum erfuhr der Fotograf, was der Trainer gehört hatte – dass es sich hier um einen schweren Fall von Torschieberei handelte. Täter offenbar: die Gladbacher, die den Duisburgern die Tore einfach weggetragen hatten – von deren Platz auf den der Borussen.
Ein Skandal, der natürlich umgehend öffentlich gemacht werden musste. So erfuhr schließlich durch die Zeitung auch Volker Finke, dass es sich selbst bei seinem Saunaplausch in Wahrheit um ein Interview gehandelt hatte. Offenbar macht man das im Fußball tatsächlich so. Speziell an der Algarve. Obwohl Finke das im Gegensatz zu mir wissen müsste, soll auch er nicht sehr begeistert gewesen sein.
Fotohinweis:Dieter Baumann ist 5.000-Meter-Olympiasieger von Barcelona
Fragen zu Laufen?kolumne@taz.de
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