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Ein Bissen für Hundeliebhaber

Hundefleischeintopf gilt für manche Südkoreaner als große Delikatesse. Nun ist das unrühmliche Gericht wegen der bevorstehenden Fußballweltmeisterschaft zum Mittelpunkt einer politischen Debatte über die nationale Ehre geworden

aus Tokio ANDRÉ KUNZ

„Poshintang“, ein Gulasch aus zartem Hundefilet, gegart in weißer Knochenbouillon, angerichtet in feurig scharfer Pfeffersauce und garniert mit Gemüse, ist eines von vielen südkoreanischen Nationalgerichten. Mehr als drei Millionen südkoreanische Männer und nur wenige Frauen verzehren es im Sommer mit Leidenschaft und geraten darüber ins Fabulieren: es stärke die Manneskraft, sei eine Verjüngungskur und die Quelle von Vitalität gegen die feuchtheißen Sommernächte im nordostasiatischen Lande.

Für dieses Gericht sind am Montag in einem Vorort der Hauptstadt Seoul Demonstranten auf die Straße gegangen, um gegen die internationale Kritik am Verzehr von Hundefleisch in Südkorea zu protestieren. Brigit Bardot, die kämpferische französische Filmdiva und Tierschützerin, hatte die Südkoreaner schon im Herbst mit ihrem Aufruf aufgebracht, diese „barbarische Unsitte“ rechtzeitig zum Beginn der Fußballweltmeisterschaft 2002 im Juni zu verbieten. Bardot verwies dabei weniger auf den Verzehr des Fleisches, als auf die Haltung und Schlachtung der Hunde. Eingesperrt in engen Zwingern werden sie gemästet wie Gänse und zum Schluss mit Knüppeln zu Tode geschlagen, was den Adrenalinausstoß erhöht und damit das Fleisch möglichst zart macht.

Vor solchen Horrorgeschichten konnte sogar der in Zürich beheimatete Weltfußballverband Fifa nicht mehr die Ohren verschließen und Fifa-Chef Sepp Blatter schickte im November umgehend eine Note an Chung Mong-jun, den Boss des südkoreanischen Fußballbundes, und forderte darin „sofortige und entschiedene Maßnahmen“ gegen die Grausamkeit an den Hunden. Die gut gemeinte Note entpuppte sich inzwischen als unglückliches Eigentor.

Erst konterte Chung, dass die Fifa sich besser aus dieser Debatte heraushalten sollte. Darauf organisierten sich zwanzig Parlamentsabgeordnete um den konservativen Ching Hong-shin von der Großen Nationalpartei (GNP) und brachten Ende Dezember einen Gesetzentwurf ins Parlament ein, der den Verzehr von Hundefleisch bis zum Februar offiziell legalisieren soll. „Einige Ausländer mit ungenügendem Verständnis unserer Kultur gehen zu weit und beleidigen unseren Nationalstolz“, erklärte King und erhob die Debatte zur Frage der nationalen Ehre der Südkoreaner.

Damit war der wunde Punkt vieler Südkoreaner getroffen worden, die sich bis heute mit Identitätsproblemen herumschlagen. Im Westen liegt der große Bruder China, der gern darauf hinweist, dass Koreas Kultur letztlich ein Import aus dem ehemaligen Kaiserreich sei. Im Osten liegt Japan, das die Halbinsel während eines halben Jahrhunderts kolonialisiert hatte und nach dem zweiten Weltkrieg als Weltmeister im wirtschaftlichen Aufbau die Asiaten überflügelte. Dazu verläuft im Norden Südkoreas noch die letzte schwerbewachte Grenze aus der Zeit des Kalten Krieges und erinnert schmerzlich an die Trennung von Süd- und Nordkorea . In dieser geostrategisch prekären Lage ist nun Hundefleisch zum nationalen Indentitätssymbol geworden, obwohl gerade jüngere Südkoreaner das Gericht kaum mehr verzehren.

Doch spielt am Ende ein weit wichtiger Grund eine Hauptrolle, weshalb die Fifa und Brigit Bardot diesmal von der Regierung keine Hilfe erwarten können. Im Gegensatz zu 1988, als anlässlich der Olympischen Spiele in Seoul, der Verzehr von Hundefleisch aus Rücksicht auf die internationale Meinung verboten worden war, wird diesmal ein Verbot von oben nicht viel ausrichten. Südkorea hat sich nämlich in der Zwischenzeit von einer Militärdiktatur in eine Demokratie verwandelt, und so werden sich Bürgergruppen ebenso wie die Nationalisten gegen den äußeren Druck wehren.

Das erwartet die Besucher im Juni: Die 6.000 Restaurants, die landesweit Hundefleisch anbieten, werden die ausländischen Fußballfans zu Degustationen einladen und sie mit freundlichem Charme zum Biss in eine Hundekeule verleiten. Das wurde am Montag nach der Demonstration in Seoul beschlossen. Als Stürmer im internationalen Feld für die Hundedelikatesse wurde Professor Ahn Yong-keun, Nahrungsmittelexperte der Chungyong Universität ausgewählt. Als „Doktor Hundefleisch“ bereits im Inland wohlbekannt, will er seine 350 Rezepte zur Zubereitung von Hundefleisch international bekannt machen. Außerdem arbeite er gerade an einer kurzen Erläuterung für eine artgerechte Haltung und Schlachtung der Vierbeiner, teilte das Organisationskomittee der Hundegourmets mit.

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