piwik no script img

Wo Vermieter klönen können

■ Selbsthilfe für HausbesitzerInnen in Bremen: Beim „Vermieterstammtisch“ in der Neustadt gibt es Tipps und Tricks – nicht nur zu Nebenkosten und Krach mit dem Handwerker / „Das ist schöner als Fernsehen“

„Jeder hat so seine Probleme und bringt die hier zu Gehör“, erklärt der pensionierte Betriebswirtschaftler, wedelt mit der Hand durch die Luft und bestellt seinen zweiten Kreusen. Zusammen mit acht weiteren Hausbesitzern sitzt er im „Adamz“ in der Bremer Neustadt am „Vermieterstammtisch“ und regt sich auf: Über das neue Bausteuerabzugsgesetz, über die schärferen Abgas-Grenzwerte für Heizungsanlagen und die Frauen im Beginenhof.

Den Hausbesitzer-Treff hat der Bremer Ullrich Deterding vor knapp vier Jahren ins Leben gerufen – aus Betroffenheit: „Ich hatte ein Problem mit einem Mieter und wusste nicht so recht, was tun.“

Zum Haus- und Grundbesitzerverein wollte er damals nicht gehen. „Die sind mir zu teuer.“ Seither klärt er seine Fragen am Stammtisch – immer am ersten Dienstag im Monat um 19 Uhr.

Zehn bis 20 VermieterInnen aus Bremen und umzu kommen da regelmäßig zusammen. Keine Immobilienhaie, keine Krösuse, sondern Vermieter wie du und ich. Einige kommen sogar mit dem Bus zum Stammtisch. In der Mehrzahl sind sie zwischen 40 und 70 Jahren alt – und Frauen. Die VermieterInnen haben ein, zwei oder drei Wohnungen, manchmal auch mehr – und den gleichen Ärger: Mieter, Handwerker, Nebenkosten.

„Was für Probleme gibt es denn im Moment?“, fragt Deterding in das Durcheinander hinein, verzweifelt um etwas Struktur bemüht. „Steuerabzug bei Handwerkerrechnungen“ hat er als Thema für die erste Stammtisch-Diskussion im Euro-Zeitalter vorgeschlagen. Besitzt ein Vermieter nämlich mehr als zwei Wohnungen, so muss er seit Januar dem Finanzamt nachweisen, dass die von ihm beauftragten Handwerker korrekt ihre Steuern zahlen – oder er muss selbst 15 Prozent der Rechnungssumme direkt abführen.

„Zustände wie in Syrien“, wettert Deterdings Gegenüber und fuchtelt wild mit den Armen – das neue Gesetz nervt die Hausbesitzer, weil viele neue Bescheinigungen einzuholen sind.

Die jüngere Frau mit roten Haaren zwei Plätze weiter hat andere Sorgen. Den Stammtisch-Treff hält sie trotzdem für „eine tolle Idee.“ Gerade hat sie zusammen mit ihrer Schwester ein Haus geerbt: „Noch sind wir Naivlinge“.

Otto Normalmieter solle nur nicht glauben, die Hausbesitzer würden sich am Stammtisch gegenseitig Tipps und Tricks geben, wie ihre Klientel am besten übers Ohr zu hauen sei. „Es geht hier nicht darum, Zankhähne zu schulen“, wischt Deterding jeden Scharfmacher-Vorwurf vom Tisch.

„Wir wollen nicht gegen andere vorgehen, aber uns für unsere Belange engagieren.“ Der lockere Klön-Schnack sei dazu da, gemeinsam über Themen und Probleme zu sprechen, bei denen ein einzelner oft ratlos sei. Der Ex-Betriebswirt und Steuer-Experte von gegenüber ergänzt: „Alles, was wir erlebt haben, das wird hier diskutiert.“ Eine Frau erzählt: „Wir haben auch schon über den Beginenhof diskutiert.“

Von solchen mit großem Engagement geführten Debatten lassen sich drei ältere Damen in der Ecke nicht aus der Ruhe bringen. „Wir nehmen das alles nicht so ernst“, sagt eine, die knapp 70 Jahre alt ist. Man hat eigene Themen. Etwa, „wie man neue Rohre einbaut, ohne alle Bäder neu zu machen.“

Die Mieteinnahmen, sagt eine 68-Jährige, ersetzen ihr die Rente. Zum Stammtisch, „einer Art Selbsthilfegruppe“, kommt sie, seit es ihn gibt: „Das ist schöner als Fernsehen.“ hoi

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen