: Kampf um Punkt und Komma
Am Donnerstag treffen sich Regierung und Union zu Gesprächen über das Zuwanderungsgesetz. Fraktionschefs von SPD und Grünen deuten Kompromissbereitschaft an. Der grüne Innenpolitiker Özdemir sieht jedoch nur noch „minimalen Spielraum“
von LUKAS WALLRAFF
Der innenpolitische Sprecher der Grünen, Cem Özdemir, hat seine Partei vor allzu großen Kompromissen bei den Verhandlungen mit der Union über das geplante Zuwanderungsgesetz gewarnt. „Es muss schon noch erkennbar sein, was das ursprüngliche Anliegen war“, sagte Özdemir gestern der taz. Rot-Grün sei schon bei dem vorliegenden Gesetzentwurf von Innenminister Otto Schily (SPD) weit auf die Union zugegangen. Für weitere Zugeständnisse sieht er nur noch „einen minimalen Spielraum“.
Wo dieser Spielraum liegt, wollte Özdemir kurz vor dem fraktionsübergreifenden Parteiengespräch über das Zuwanderungsgesetz am Donnerstag nicht sagen. Nun sei erst einmal die Union an der Reihe, betonte Özdemir: „Ich habe noch nichts von der Union gehört, wo sie denn auf Rot-Grün zugeht.“ Bewegung auf allen Seiten sei aber Voraussetzung für ernsthafte Gespräche. „Es kann keinen Kompromiss geben, der so aussieht, dass Rot-Grün in allen Punkten der CDU/CSU entgegenkommt.“
Özdemir relativierte damit die Aussagen der rot-grünen Fraktionschefs vom Wochenende. SPD-Fraktionschef Peter Struck hatte am Freitag mitgeteilt, seine Partei sei zu umfassenden Zugeständnissen an die Union bereit, damit es Anfang März im Bundesrat zu einer Mehrheit kommt. Auch der der Grünen-Fraktionsvorsitzende Rezzo Schlauch kündigte an, man werde „offen verhandeln“. Den Grünen sei klar, dass es nicht möglich sei, den eigenen Entwurf „pur und bis zum letzten Komma durchzubringen“. Einvernehmliche Lösungen mit der Union seien „denkbar“.
CSU-Landesgruppenchef Michael Glos schätzte die Chancen gestern jedoch weiter „gering“ ein. Özdemir vermutet ohnehin, dass sich Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber „bereits festgelegt“ habe, das Gesetz abzulehnen. Er werde den Verdacht nicht los, dass die Union mit der Bereitschaft zu Gesprächen nur ein geeignetes „Ausstiegsszenario“ vorbereite, „nach dem Motto: Wir haben es ja versucht“. Die SPD wiederum wolle das Thema offenbar am liebsten „weghaben vor dem Wahlkampf, was ich aus ihrer Sicht auch verstehen kann“. Doch die Grünen dürften nicht alles mitmachen: „Für uns ist es ein Herzensthema, wir müssen darauf achten, dass die Qualitätsfrage noch gestellt wird.“
Besonders umstritten sind nach wie vor die künftigen Regelungen zum Familiennachzug und zum Schutz vor nichtstaatlicher Verfolgung. Die Union wirft Rot-Grün vor, mit den vorgeschlagenen Regelungen eine „Ausweitung der Zuwanderung“ zu betreiben. Dem widersprach gestern der Präsident des Nürnberger Bundesamtes für die Aufnahme von Flüchtlingen, Albert Schmid (SPD). Durch den rot-grünen Gesetzentwurf seien keine „wesentlichen quantitativen Veränderungen“ zu erwarten. Bei den rot-grünen Vorschlägen handele es sich lediglich um eine Statusverbesserung von Duldung zu Bleiberecht. Und auch davon seien nach den Erfahrungen seiner Behörde allenfalls 1.800 Personen betroffen.
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