: Ambulance Night Fever
Disko-Betreiber haben von Senatsplänen zur Heroin-Ambulanz aus der Zeitung erfahren: Morgen Besichtigungstermin ■ Von Elke Spanner
Der Betreiber wusste von nichts. Aus der Zeitung musste Oliver Stoll gestern erfahren, dass seine Diskothek „Traxx/Roxx“ als Standort für die Heroinambulanz im Gespräch ist. Die Gesundheitsbehörde, die zurzeit laut ihrem Sprecher Michael Mrozek mehrere Standorte prüft, hatte keinen Kontakt zu dem Diskobetreiber aufgenommen, ehe Senator Peter Rehaag (Schill-Partei) über die Bild-Zeitung verbreitete, in diesen Räumen womöglich den Modellversuch zur kontrollierten Heroinabgabe starten zu wollen.
Der Behörde war nicht einmal bekannt, dass für die Kasematten unter dem Bahngleis am Hauptbahnhof noch gültige Mietverträge bestehen. „Die Räume stehen schon relativ lange leer und werden nur ab und zu für Veranstaltungen genutzt“, so der falsche Wissensstand des Behördensprechers.
Der Vermieter der Kasematten scheint indes bereit zu sein, diese für den Schill-Gesundheitssenator zu entmieten. Die Räume unter dem Bahngleis werden von der Sprinkenhof-AG verwaltet – deren Chef Karl-Heinz Ehlers CDU-Bürgerschaftsabgeordneter und damit Koalitionspartner von Rehaags Schill-Partei ist. Gestern, so Traxx-Betreiber Stoll, habe die Sprinkenhof eine Besichtigung der Diskothek für Mittwoch angekündigt. Gegenüber Stoll habe die Sprinkenhof behauptet, die Begehung habe nichts mit den Veröffentlichungen in der Presse zu tun.
Die Bild wusste allerdings auch von diesem Termin schon, ehe die Verabredung zwischen Sprinkenhof und Disko-Betreiber getroffen war. Und die Boulevardzeitung wusste bereits am Samstag zu berichten, dass bei der Begehung sehr wohl geprüft werden soll, inwieweit die Räume für die Heroinambulanz geeignet sind. Denn 766.000 Euro habe Gesundheitssenator Rehaag für den Umbau zur Heroinambulanz im Topf, und am Mittwoch sollen „Experten prüfen, ob die Summe ausreicht“. Selbst die monatliche Miethöhe der Räume wurde auf diesem Weg bereits bekannt. 4400 Euro müsste der Landesbetrieb Krankenhäuser (LBK), der den Modellversuch betreiben wird, monatlich an die Sprinkenhof zahlen. Die war ges-tern für die taz nicht zu sprechen.
LBK-Sprecher Siegmar Eligehausen, der in die Standortsuche selber in den vergangenen Wochen nicht mehr eingebunden war, hält die Kasematten für geeignet, da sie für die KlientInnen der Heroinambulanz gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar wäre. Zwei zuvor avisierte Standorte waren an den Protesten der AnwohnerInnen gescheitert. Damit ist in der Altländer Straße am Hauptbahnhof kaum zu rechnen. Und ein einzelner Gewerbetreibender, der für das Projekt seine Diskothek schliessen müsste, scheint für den Gesundheitssenator kein Problem zu sein.
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