Erich Honecker? Nie gehört

Laut einer Studie informieren die Universitäten immer weniger über die Geschichte des Arbeiter- und Bauernstaates DDR. Vor allem im Süden der Republik interessieren Themen wie SED-Herrschaft und friedliche Revolution kaum

BERLIN taz ■ An den deutschen Universitäten ist der erste deutsche Arbeiter- und Bauernstaat immer seltener Thema. „Ein Jahrzehnt nach dem Systemwechsel nimmt das Interesse an der DDR und den ostdeutschen Entwicklungen in der akademischen Lehre kontinuierlich ab“, lautet das Ergebnis einer Studie des Hochschulforschungsinstituts (HoF) der Universität Halle-Wittenberg. Die hatte im Auftrag der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur das Lehrangebot an zwölf ausgesuchten Unis in Ost und West seit 1990 untersucht.

Der Interessenschwund der Gesellschaft an DDR- bzw. Ost-Themen hat die Universitäten erreicht. Die „Themenkarriere der DDR“, zu der auch die Sowjetische Besatzungszone gehört, war Mitte der 90er-Jahre auf dem Höhepunkt angekommen und hat nun wieder den Stand von 1990 erreicht. „2000/2001 gibt es Landstriche, die von entsprechenden Lehrangeboten völlig frei sind. Eine deutliche Mehrheit von 54 der insgesamt 88 deutschen Universitäten (62 Prozent) hat keine einzige explizit Ostdeutschland-bezogene Lehrveranstaltung mehr im Programm“, sagte Peer Pasternack, der Autor der Studie.

Wo ist das Problem, zehn Jahre nach dem Ableben der DDR? Reinhard Kreckel, Direktor des HoF Wittenberg, sieht schon eine Generation von historischen Halbignoranten die Hochschulen verlassen. Wo Marianne Birthler, die Chefin der Stasi-Akten-Behörde, jüngst erst beklagt hatte, dass vor allem in den ostdeutschen Schulen die DDR immer weniger eine Rolle spielt.

Professor Bernd Faulenbach von der Stiftung Aufarbeitung geht noch weiter. Er befürchtet einen Trend, dass die DDR zu einem akademischen Randthema wird – was auch Auswirkungen auf das mentale Verständnis der Deutschen untereinander hätte. Keine Ahnung, kein Verständnis? Dann drohte aus Bayern tatsächlich verstärktes Ignorantentum. Zwar ist der Trend zum DDR-Vergessen republikweit flächendeckend, aber es gibt schon Unterschiede. Je weiter man nach Westen dringt, desto allgemeiner wird die DDR-Geschichte behandelt, und im Süden sieht es extrem finster aus. In Süddeutschland wird kaum noch über die DDR informiert, selbst die große Uni München hatte 2000/2001 nicht eine Veranstaltung im Lehrangebot. Im Osten strahlt hingegen – wenig überraschend – die Sonne zur Erhellung der Köpfe noch am hellsten.

Allerdings bestehen zwei Sonderfälle: Das rote Berlin ist die unangefochtene Hochburg der DDR/Ostdeutschland-Lehre, während das Land Brandenburg in der Hinsicht schon schlechten Weststandard erreicht hat. Dort fand – wie in Bremen, Saarland und Schleswig-Holstein – 2000/2001 nicht eine einzige Veranstaltung zum Thema statt.

Erstaunlich für die Verfasser der Studie ist, welche inhaltlichen Themen die Unis bevorzugt behandeln. Mit großem Abstand an der Spitze liegt die DDR-Kultur, insbesondere die Literatur, während Militär- oder Umweltpolitik meist unbeachtet bleiben. Genauso wie die SED-Herrschaft und die dagegen gerichtete Opposition. Immerhin: Die DDR wird zumeist als zusammen mit der alten Bundesrepublik behandelt, was die Forscher so deuten, dass die DDR tatsächlich als ein Teil Deutschlands betrachtet wird. GUNNAR LEUE