: „Das Risiko ist uns bewusst“
Rot-Rot und die Ausländerpolitik werden die Zielscheibe der CDU im Bundestagswahlkampf sein, prophezeit Innensenator Ehrhart Körting. Er will deswegen aber keine härtere Gangart einschlagen
Interview: PLUTONIA PLARRE und ADRIENNE WOLTERSDORF
Herr Körting, mit der Kandidatur Stoibers werden die Themen Rot-Rot und Innere Sicherheit im Wahlkampf für eine Argumentationsschlacht herhalten müssen. Sind Sie gerüstet?
Ehrhart Körting: Ich neige nicht dazu, aus dem Bauch heraus martialische Töne anzuschlagen, bloß weil das gerade populär ist. Wir brauchen innere Sicherheit und gleichzeitig den Schutz der Freiheitsrechte. Beides gehört zusammen.
Sie schlagen also bis zum Herbst keine härtere Gangart ein?
Nein. Es ist jedoch zu befürchten, dass die CDU in ihrer Hilflosigkeit in Berlin, genau wie auf Bundesebene, immer weiter gehende Forderungen nach Instrumenten der inneren Sicherheit erheben wird. Denen kann ich aus meinem Verständnis heraus nicht folgen. Ich bin zudem sicher, dass Teile der Presse uns bis zum 22. September permanent beschimpfen werden. Aus Prinzip. Denn Rot-Rot ist Teil der Auseinandersetzung im Bundestagswahlkampf. Das Risiko war uns ja bewusst. Aber die Ampelkoalition hat eben nicht funktioniert.
Befürchten Sie demnach eine Schlammschlacht?
Ich befürchte, dass mit der Nominierung von Edmund Stoiber dieser Bundestagswahlkampf ähnlich wie in Hessen in einer überhaupt noch nicht vorstellbaren Weise auf dem Rücken der Ausländer ausgetragen wird.
Was bedeutet das für Berlin?
Das bedeutet, dass das Verhältnis zu den hier lebenden Ausländern erheblich belastet werden könnte. Wir werden das abfangen und an die Vernunft der Berliner appellieren müssen. Aber da mache ich mir keine Sorgen, die Berliner sind vernünftig. Wir haben hier eine Rest-Ausländerfeindlichkeit, aber im Großen und Ganzen ist das Verhältnis entspannt.
Problematisch bleibt dahin gehend aber die von Ihnen befürwortete Rasterfahndung. Das Landgericht hat das als unzulässig erklärt, Sie wollen den Beschluss nun anfechten.
Generell werde ich die Rasterfahndung nicht stoppen, der Datenabgleich wird bis auf die drei Fälle und die Daten der Humboldt-Universität fortgesetzt. Ich halte den Beschluss des Landgerichts deswegen für falsch, weil in Deutschland und Berlin eine Terrorgefahr gegeben ist. Dass wir trotz weiterer Terrordrohungen von al-Qaida tatenlos zusehen sollen, ist mit meinem Rechtsverständnis und meiner Verantwortung nicht vereinbar.
Die Opposition scheint einen Innensenator Körting grundsätzlich zu unterstützen. Sie wurden bei Ihrer Wahl am 17. Januar sogar mit einer Stimme der Opposition gewählt. Rechnen Sie dennoch mit Gegenwind?
Bequem wird es ein Innensenator nie haben. Die Opposition wird schon bald in die Opposition gehen und sich sagen, jetzt hauen wir drauf. Der Witz ist aber, dass die Koalitionsvereinbarung, die die Ampel im Bereich Inneres, Ausländerpolitik, Bürgerrechte formuliert hatte, in vielen Punkten fast deckungsgleich mit der jetzigen von SPD und PDS ist. Dieser große Konsens im Abgeordnetenhaus ermutigt mich für die Zukunft.
Der Koalitionsvertrag gilt im Bereich innere Sicherheit als das Fortschrittlichste, was in den Bundesländern je vereinbart worden ist.
Wenn wir das durchziehen, was in der Koalitionsvereinbarung steht, kann sie sich in der Tat sehen lassen.
Der oppositionelle Geist wird bekanntlich bei Detailfragen geweckt. Zum Beispiel haben die Gewerkschaften bei der Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte erbitterten Widerstand angekündigt.
Wir werden mit den Gewerkschaften reden. Ich möchte um Verständnis werben, dass die Kennzeichnung ein Akt der Bürgerfreundlichkeit ist. In Demokratien wie Amerika, Großbritannien und Spanien ist so etwas überhaupt kein Problem.
Verstehen Sie die Empörung der Gewerkschaftsvertreter?
Ich glaube, es ist ein eher traditionelles Dagegensein. Es ist abwegig, zu glauben, dass ein Beamter persönlichen Repressalien ausgesetzt sein könnte, nur weil er gekennzeichnet ist. Auch die Menschenwürde wird dadurch nicht verletzt. Bei jeder Konferenz trägt man ein Namensschild. Ich kann allerdings verstehen, dass die Beamten der geschlossenen Einheiten Angst haben, dass ihnen ein Vorgehen bei Demonstrationseinsätzen, das auf Anweisung erfolgt, in Form von Strafanzeigen persönlich angelastet wird.
Heißt das: keine Kennzeichnung für die geschlossenen Einheiten?
Ich beabsichtige die Koalitionsvereinbarung so umzusetzen, wie sie gedacht ist. Das bedeutet: alle. In welcher Form, kann man diskutieren. Die Kennzeichnung kann ein mitbestimmungspflichtiger Vorgang sein. Das schließt aber nicht aus, dass man es im Einigungsverfahren durchsetzt. Letztlich kann das Ganze auch gesetzlich geregelt werden.
Wann werden Reiterstaffel, Polizeiorchester und der Freiwillige Polizeidienst aufgelöst?
Die Auflösung des Freiwilligen Polizeidienstes werden wir im Rahmen des Haushaltsgesetzes mit regeln. Was die Reiterstaffel angeht, wird das vermutlich im Laufe des ersten Halbjahrs geklärt sein. Da gibt es eine Welle der Hilfsbereitschaft von Veronica Ferres bis zu Dieter Bohlen, die uns alle Pferde abnehmen wollen. Es ist aber ohnehin nie daran gedacht worden, die Pferde auf den Schlachthof zu schicken. Beim Polizeiorchester ist es ein bisschen schwieriger, weil die 37 Musiker unter die Beschäftigungssicherungsvereinbarung fallen und dementsprechend nicht kündbar sind. Hier gilt: Jede Regelung, die das Land Berlin nichts kostet, ist erwünscht.
Die Polizeiführung soll verschlankt werden. Bedeutet das, dass der vakante Posten des LKA-Chefs nicht mehr besetzt und auch für den Chef der Schutzpolizei kein Nachfolger gesucht wird, wenn Gernot Piestert 2003 in Pension geht?
Die Verschlankung der Polizeiführung ist ein Prüfauftrag. Das bedeutet aber nicht, dass wir erforderliche Funktionen nicht weiterhin besetzen. Die Strukturreform wird eher mittelfristig erfolgen.
Wann wird der neue Polizeipräsident bestimmt? Bleibt es dabei, dass er vom Abgeordnetenhaus gewählt wird?
Ich gehe davon aus, dass wir das Gesetz nicht ändern werden. Das wird im Moment nicht einmal die CDU wollen. Es gibt ausreichend Bewerbungen. Wir sind dabei, die Bewerbungsgespräche zu führen. Dann werden wir dem Senat einen Vorschlag unterbreiten. Ich habe die Hoffnung, dass der neue Kollege beziehungsweise die neue Kollegin vor dem 1. Mai anfangen kann.
Kooperation, Deeskalation, Transparenz – das Koalitionspapier liest sich so, als ob sie die Polizei von Grund auf umkrempeln wollten. Hat das die PDS so reingeschrieben?
Das stammt von der SPD. Das ist bereits in den Dienstanweisungen der Polizei enthalten und wird nun lediglich stärker in den Mittelpunkt gerückt.
Welche Strategie wollen Sie künftig bei Demonstrationen verfolgen?
Das Demonstrationsrecht ist ein zentrales Grundrecht in der Demokratie. Es kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur in ganz besonderen Fällen eingeschränkt werden. Dies zeigt auch die Praxis in Berlin. Verbotsverfügungen der Innenverwaltung wurden häufig durch verwaltungsgerichtliche Entscheidungen aufgehoben. Künftig sollen problematische Demonstrationen eher durch Auflagen gesteuert und entschärft als verboten werden.
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