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Körting rastert weiter aus

Obwohl das Landgericht Berlin die Rasterfahndung für rechtswidrig erklärt hat, will der Innensenator an der Praxis festhalten. Koalitionspartner PDS und die Humboldt-Uni begrüßen das Urteil. CDU will bayerische Verhältnisse

Ehrhard Körting (SPD) bleibt bei seinem Urteil. „Ich werde die Rasterfahndung generell nicht stoppen“, sagt der Innensenator im Interview mit der taz. „Der Datenausgleich wird bis auf die drei Fälle und die Daten der Humboldt-Universität fortgesetzt.“ Damit reagierte Körting auf das Landgericht Berlin, dass sich tags zuvor ebenfalls ein Urteil gebildet hatte. Die seit Ende September 2001 praktizierte Rasterfahndung, bei der die Daten von Betroffenen allein wegen ihrer Religion und Herkunft abgeglichen werden, hatten die Richter kurzerhand für rechtswidrig erklärt. Begründung: Eine „Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes“ sei nicht gegeben.

Das findet Ehrhard Körting schlichtweg falsch. Entgegen früheren Äußerungen sieht der Innensenator durchaus eine gegenwärtige Gefahr, schließlich habe die Terrororganisation al- Qaida weitere Anschläge angekündigt. Körting kündigte an, das Urteil anzufechten.

Dass der Innensenator sein eigenes Urteil über das des Landgerichts stellt, hat gestern auch den Koalitionspartner PDS auf den Plan gerufen. PDS-Innenpolitikerin Marion Seelig forderte den Stopp der umstrittenen Fahndung und kündigte an, das Gespräch mit Körting zu suchen. Vorsorglich ermuntere Seelig aber schon einmal die Betroffenen, ebenfalls gegen die Datenrehebung zu klagen.

Allein an der Humboldt-Uni, die das Landgerichtsurteil gestern begrüßte, waren im September 23 und im November noch einmal 660 Datensätze an das Landeskriminalamt weitergegeben worden. Doch die Suche nach möglichen „Schläfern“ erstreckte sich nicht nur auf die drei Berliner Universitäten. Das LKA fahndete auch bei der Bewag, der Gasag, der BVG, bei Cateringfirmen, der Industrie- und Handelskammer oder der Flughafengesellschaft nach möglichen Terroristen. „Dass all diese Institutionen keinen Widerspruch eingelegt haben“, ist auch ein Armutszeugnis für Berlin“, sagte gestern ein Vertreter der Studentenschaft an der Humboldt-Uni. Er zeigte sich gleichzeitig überrascht davon, wie Wolfgang Wieland als Exjustizsenator die Rasterfahndung verteidigte, als Oppositionspolitiker nunmehr aber wieder deren Abschaffung verlangte.

Während Körting die Konsequenzen des Urteils nur auf die drei Kläger beschränkt sehen wollte, erläuterte deren Anwalt Sönke Hilbrans eine ganz andere Rechtsauffassung. „Nach diesem Urteil hätten die Daten gar nicht erst gesammelt werden dürfen“, sagte Hilbrans gestern. Deshalb müssten auch die Daten aller Betroffenen wieder gelöscht werden.

Doch nicht nur die rechtlichen Auslegungen gehen offenbar weit auseinander, sondern auch die politischen. Während die GEW die sofortige Benachrichtigung aller betroffenen Studenten forderte, stoiberte der CDU-Politiker Roland Gewalt gleich mit dem bayerischen Modell. Der entsprechende Paragraf im Polizeigesetz, der die Anwendung der Rasterfahndung zu eng auslege, sollte ähnlich wie in Bayern erweitert werden, forderte Gewalt. UWE RADA

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