: Vom Raster in die Traufe
Datenschützer: Polizei muss auf Freiwilligkeit der Gespräche hinweisen ■ Von Kaija Kutter
Das Datenschutzgesetz hilft den von der Rasterfahndung erfassten Studenten offenbar wenig. Wie berichtet, werden derzeit 140 ausländische Studierende zum „persönlichen Gepräch“ ins Polizeipräsidium Alsterdorf geladen und aufgefordert, persönliche Unterlagen aller Art offen zu legen.
„Ich hab der Polizei gesagt, sie muss jeden einzelnen zu Beginn des Gesprächs darauf hinweisen, dass sie freiwillig dort sind, so dass sie die Gelegenheit haben, aufzustehen und zu gehen“, sagt Hamburgs Datenschutzbeauftragter Hans-Hermann Schrader. Die Polizei hat gegenüber den Medien zwar die Freiwilligkeit betont. Aus dem offiziellen Anschreiben geht dies jedoch nicht hervor.
Verweigert ein Student die Kooperation, hat die Polizei laut Schrader das Recht, im Rahmen der Strafprozessordnung anderweitig Informationen einzuholen. Direkte Nachfragen bei Vermietern, Banken und Arbeitgebern können für die Studenten weit unangenehmer sein. Auch darüber, so Schrader, müsse die Polizei informieren, „dann kann jeder für sich entscheiden, ich sag denen was und erspare mir anderen Stress“.
Unterdessen spricht immer mehr dafür, dass sich tatsächlich 900 Menschen im Visier der Ermittler befinden. So wurde Schrader mitgeteilt, die „Zahl der Trefferfälle“ habe sich durch die Konzentration auf bestimmte Länder „vom vierstelligen in den dreistelligen Bereich“ reduziert. Weil noch „Ermittlungsbedarf“ bestehe, wurden auch die Daten der übrigen Studierenden noch nicht gelöscht, was in anderen Bundesländern längst geschehen ist.
Kritisch zur Rasterfahndung hat sich gestern auch Dorothee Bittscheid, die Präsidentin der Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik (HWP), geäußert. So bestehe die Gefahr, dass durch die Rasterfahndung kleinere Bagatellverstöße ans Tageslicht kommen, die nichts mit den Terroranschlägen zu tun haben. Bittscheid: „Gerade das Ausländerrecht kann man so leicht verletzen.“ So darf ein Student aus einem Nicht-EU-Land nur 90 Tage im Semester arbeiten, was bei den Nachforschungen im Rahmen der Rasterfahnung leicht nachgeprüft werden kann. Bittscheid äußert diese Bedenken „als Kriminologin und Privatperson“. In ihrer Funktion als HWP-Präsidentin rief sie gestern unter Professoren zu Spenden auf, damit die von der Rasterfahndung betroffenen Studenten sich einen Rechtsbeistand leisten können.
Die drei Asten von HWP, Uni und Fachhochschule hatten die Hochschulpräsidenten kritisiert, weil sie sich nicht wie an der Berliner Humbold-Uni geweigert hatten, Daten herauszugeben. Yavuz Fersoglu vom Asta der HWP beanstandet zudem, dass die Polizei auch im Besitz von Seminarbescheinigungen sei. „Das sind sen-sible Daten. Die darf die Hochschule nicht herausgeben.“ Auch Schrader prüft zur Zeit, ob sich die Hochschulen „korrekt“ verhalten oder im „Übereifer zuviel herausgegeben haben“.
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