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Vom Gutmenschen zum Gutfleisch zum Ei

■ Ostfriesische Bauern schimpfen auf die Neue Landwirtschaft à la Künast und leben gut mit und von beiden/ Dafür gibt es ab Sommer bald neue naturnahe Lebensmittel in Bremen

Offiziell jammern, schimpfen, klagen, wettern die Bauern gegen eine ökologische Landwirtschaft. Doch im Stillen arrangieren sie sich nicht nur, sie beginnen auch an der ökologischen Produktion von hochwertigen Lebensmitteln zu verdienen. Wir gemeinen FresserInnen danken es ihnen. Ab Juli werden auch BremerInnen von einem neuem Markenartikel aus der Region profitieren: Naturwert.

Im Sommer wird in Bremen nämlich der erste Combi-Markt eröffnet. Combi ist eine Supermarktkette, die bislang nur in Ostfriesland und im Emsland vertreten war. Die 55 Combi-Märkte gehören zum Bünting-Konzern (famila, markant), der größten Supermarkt- und Vertriebskette in Norddeutschland. Als ein besonderes Markenzeichen hat Combi für ihre Märkte den Warennamen „Naturwert“ eingeführt. In Kooperation mit zehn kleinen bäuerlichen Betrieben und der Landwirtschaftskammer Weser-Ems reagierte die Supermarktmulti bereits 1994 auf die erste BSE-Krise: „Das war für uns der Auslöser, hochwertige Lebensmittel zu beschaffen, die einer unabhängigen Kontrolle unterliegen“, so Wilhelm Pinkernell, der bei Bünting für die Combi-Märkte zuständig ist. Pinkernell hat dort Naturwert iniziiert. „An unseren wird nur noch Naturwert-Rindfleisch verkauft. Im Frischfleischbereich bieten wir kein anderes Rindfleisch mehr an“, so der Combimanager.

Rindfleisch, Frischeier, die eigene Nudelproduktion und ab diesem Jahr auch Kartoffeln gehen unter dem Label „Naturwert“ in Combi-Märkten weg wie „warme Semmeln“. Für die Neueinführung von Naturwert hat der Supermarkt – wie sonst üblich – allerdings kein anderes Produkt aus den Regalen genommen. Soweit geht das Engagement doch nicht, an eine generelle, ökologische Umorientierung innerhalb der Greif und Fressregale zu denken. Mit vier Naturwert-Artikeln hat sich Combi in die Nische ökologisch „sauberer“ Produkte geschoben. Und dabei soll es auch vorerst bleiben. Immerhin, im Gegensatz zu Konkurrenzmarken von Edeka (Bio Wertkost, Bio Gutfleisch), Rewe (Füllhorn), Metro (Grüne Land) und Tengelmann (Naturfreund) liegen die Kontrollkriterien für „Naturwert“ über den EU Bestimmungen 2092/91, die Bundesverbraucherministerin Renate Künast (Grüne) den Landwirten mahnend vorhält.

„Wir sind nicht Bio, wir sind kontrolliert“, beschreibt CombiMann Pinkernell das neue Produkt. Peter Hiller von der Landwirtschaftskammer Weser-Ems ist der Kontrolleur und vergibt das Gütezeichen für die neuen Combi-Produkte. „In Kooperation mit zehn ostfriesischen und emsländischen Betrieben und der Firma Combi kontrollieren wir unangemeldet mindestens viermal im Jahr die beteiligten Höfe.“ Sie testen die Tierhaltung, die Fütterung, die baulichen Anlagen, die Einhaltung der Tierschutzbestimmungen undsoweiter. Die Teilnahme an dem Programm ist aber freiwillig. „Wer an dem Prüf- und Gütesiegel ,Naturwert' teilhaben will, muss sich an unserem Testprogramm beteiligen“, stellt Peter Hiller von der Landwirtschaftskammer Weser-Ems klar.

Im Gegensatz zu ausgewiesenen Bio-betrieben wie beispielsweise Demeter, füttern die zehn Vertragsbauernhöfe für „Naturwert“ nicht mit Bio-Futter. Vorsorgliche Medikamentengaben gegen Parasiten oder Wurmbefall der Tiere sind aber nicht erlaubt. Die Haltung der Tiere richtet sich strikt nach der EU-Norm. Danach ist der Höchstbestand an Legehennen zum Beispiel für einen Betrieb auf 3.000 Tiere in Freilandhaltung festgelegt. Dies müssen „Naturwert“-Produzenten einhalten. Inzwischen setzt Combi auch auf eine eigene Produktion von Ökonudeln. Nahe Emden produziert Combi aus den Überschüssen der Öko-Eier in einem eigenen Werk die „Naturwert“ Nudeln. Pasta aus Ostfriesland. Basta!

Dass die Kontrollen der Landwirtschaftskammer nicht nur ein werbeträchtiges Entgegenkommen der Behörde gegenüber den meist familiären bäuerlichen Betrieben in der Region ist, mussten Combi und Bauern schon lernen. Peter Hiller zur taz: „Wir haben auch schon bei einem Betrieb Salmonellen festgestellt. In so einem Fall muss natürlich die gesamte Eiercharge zurückgezogen und vernichtet werden.“ Der Betrieb musste gründlich saniert und neu aufgestellt werden. Die monierten Hühner wanderten in den Suppentopf, aus ihnen wurden still schweigend Brühe oder Fertiggerichte hergestellt. „Wenn wir dieses Gütesiegel schon mal haben, dann wollen wir es nicht verwässern“, erklärt Hiller die Brüheaktion. Und weiter: „Konventionelle Betriebe, die brauchen sich ja nur freiwillig testen zu lassen. Aber für Naturwert testen wir alles, Kot der Legehennen, Futter, Eier. Salmonellen sind unser Steckenpferd. Sonst wäre Naturwert nix wert.“

Thomas Schumacher

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