: HVG lässt Glocke leiser läuten
■ Die HVG will zukünftig bei der Glocke sparen. Geschäftsführerin Ilona Schmiel steigt nach vier Jahren aus
Wenn Wirtschaftsleute Kulturpolitik machen, sind die Ergebnisse bisweilen bizarr. Jüngstes Emanation dieser Zustände ist das Ausscheiden Ilona Schmiels als Geschäftsführerin der Glocke (die taz berichtete).
Hinter dieser Personalie stehen strukturelle Entscheidungen. Ilona Schmiel hatte das Konzerthaus zielstrebig mit einem eigenen Profil versehen, indem sie sich erfolgreich für Eigenveranstaltungen einsetzte: „Glocke vokal“, „Glocke spezial“, ambitionierte musikpädagogische Reihen und vieles mehr. Die dafür erforderliche Anhebung der Haushaltsmittel um eine Million Mark auf derzeit 1,45 Millionen Mark hatte sie in zwei Anläufen bei der Hanseatischen Veranstaltungsgesellschaft (HVG) und dem Wirtschaftsressort durchgesetzt.
Diese Anhebung sei eine „Lex Frau Schmiel“ gewesen, erklärte nun HVG-Geschäftsführer Michael Göbel. Das Konzept der Glocke sei bei ihrer Neueröffnung 1997 – zuvor war sie für 30 Millionen Mark renoviert worden – eindeutig auf Gastspielen basiert gewesen. Nun also soll sie entsprechend zurückgestutzt werden. HVG-Aufsichtsratvorsitzender Uwe Färber (Wirtschafts-Staatsrat) assistiert seinem Geschäftsführer: „Wir müssen bei allen unseren Gesellschaften sparen“ – beziehungsweise Prioritäten setzen, wie hinzuzufügen wäre. Denn abgesehen von den Millionen für das Musical-Theater am Richtweg und einigem anderem investiert die HVG derzeit auch 17 Millionen Mark in den Bau einer Messehalle 7 mit 8.000 Plätzen. Ilona Schmiel hätte eine Anhebung der Eigenmittel um eine weitere Million für notwendig angesehen, um die Glocke qualitativ zu sichern. Hintergrund sind unter anderem der Rückgang im Ticket-Geschäft seit Übernahme durch CTS Eventim um rund 15 Prozent und eine mögliche Konkurrenz durch das Theater am Richtweg: Falls das Haus, das der Größenordnung der Glocke entspricht, zukünftig Gastspiele aquiriert, hätte das Einbußen bei den Mieteinnahmen der Glocke zufolge.
Die bisherige Durchschnitts-Auslastung der Glocke ist mit 71 Prozent sehr gut. Ende Januar soll die Jahresbilanz 2001 präsentiert werden.
Ob und wann die Nachfolge von Ilona Schmiel ausgeschrieben wird, ist nach Angaben Göbels – der für Schmiels Weggang „zähneknirschendes Verständnis“ äußert – noch ungewiss. Schmiels Vertrag wird am 31. März auslaufen. Damit gibt sie auch die Geschäftsführung des Bremer Musikfestes auf. Ihre Nachfolge dort wird in Zusammenhang mit der Frage entschieden, ob das Musikfest überhaupt fortgesetzt werden soll. Darüber wird – laut Göbel – im Februar mehr Klarheit herrschen.
Wohin Ilona Schmiel geht, war gestern noch geheim Ihr Vorgänger Andreas Schulz wechselte als Direktor ans Leipziger Gewandhaus, auch die Karriere der 34-Jährigen geht sicher weiter nach oben. Die Zukunft der Glocke allerdings sieht weniger rosig aus – und liegt wieder fest in kulturpolitisch unberufenen Händen. Henning Bleyl
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