Von Mussolini will er nichts mehr wissen

Am Montag entscheidet sich, ob der Postfaschist Gianfranco Fini Italien im EU-Reformkonvent vertreten darf

Alcide De Gasperi oder Giulio Einaudi: Als Gianfranco Fini vor wenigen Tagen befragt wurde, wen er wohl zu den größten italienischen Staatsmännern des letzten Jahrhunderts zähle, da fielen ihm bloß ein Christdemokrat und ein Liberaler ein. Und Mussolini? Fini schüttelte den Kopf. Nein, den wollte er partout nicht unter die Granden der Nation einreihen.

Ein Konservativer, der mit der Selbstkennzeichnung „rechts“ kein Problem hat und betont, ein liberaler Demokrat zu sein – so präsentiert sich der Parteivorsitzende der „Alleanza Nazionale“ gern. Dabei war Fini jahrzehntelang in anderer Mission unterwegs: Den „Faschismus des dritten Jahrtausends“ wollte er seinem Land bescheren.

Schon als 16-Jähriger fand er im roten Bologna zu den Erben der Schwarzhemden. Prägend sei für ihn der Versuch der Linksextremisten gewesen, ihn per Blockadeaktion am Besuch des John-Wayne-Epos „Green Berets“ zu hindern, erzählte er später. In den bewegten 70ern war die Konfrontation zwischen Linken und Rechten Alltag. In dieser Zeit hingen die Karrieren faschistischer Jungmannen gewöhnlich von ihrer Schlagkraft ab. Anders bei Fini: Er hielt sich vornehm beiseite und machte lieber im Parteiapparat Karriere. Mit 25 wurde er Chef der faschistischen Jugend, mit 31 saß er im Parlament, 1987 schließlich wurde er Vorsitzender des Movimento Sociale Italiano.

Das war ein hohes Amt für einen 35-Jährigen – allerdings in einer niedergehenden Partei. Der 5-Prozent-Club der Ewiggestrigen verlor eine Wahl nach der anderen. Nur die Erinnerung an vergangene Größe wärmte die Herzen: 1992 ließ Fini das Parteivolk zur Großkundgebung antreten, um des 70. Jahrestags des Marschs auf Rom zu gedenken.

Dann aber brachen die Parteien der Ersten Republik unter dem Korruptionsschock zusammen – und Fini war da, um das Vakuum im konservativen Lager zu füllen. 1993 konnte er sich als Bürgermeisterkandidat in Rom über 47 Prozent der Stimmen freuen. Danach wandte er sich vom Faschismus ab, wenn auch unter Schmerzen. Noch 1994, nach dem ersten nationalen Wahlsieg an Berlusconis Seite, rutschte ihm das unschöne Diktum raus, Mussolini sei der größte Staatsmann des Jahrhunderts.

Im Ausland wundert sich noch der eine oder andere über den Aufstieg des gewendeten Faschisten. Da kommt der EU-Verfassungskonvent wie gerufen: Berlusconi forderte für Fini einen zweiten italienischen Sitz, neben Konvents-Vizepräsidenten Giuliano Amato, da dieser als Sozialist nicht die italienische Regierung vertreten könne. So dürfte Fini auf europäischer Bühne die Übung wiederholen, die ihm in Italien gelungen ist: Mit ruhigem Ton und gemäßigtem Auftreten wird er einen weiten Bogen um die Vergangenheit schlagen und sich als auch im Auslandseinsatz tauglicher Demokrat präsentieren.

Ob Fini jedoch tatsächlich über die künftige Verfassung der EU mitreden darf, darüber werden die Außenminister bei ihrer Sitzung am Montag entscheiden. Vor allem Deutschland, Schweden und die Niederlande haben starke Bedenken gegen den EU-Kritiker. Zudem beharren sie darauf, dass laut mündlicher Vereinbarung beim letzten EU-Gipfel jedes Land nur einen Regierungsvertertreter in den Konvent entsenden darf. Streit mit Berlusconi ist also vorprogrammiert. MICHAEL BRAUN