: Gelöscht, nicht rekonstruiert, verloren
Korruptionsprozess gegen Max Strauß: Wie die bayerische Justiz mit dem Hauptbeweisstück, der Festplatte, umging
MÜNCHEN taz ■ Seit über sechs Jahren hat die Augsburger Staatsanwaltschaft Max Strauß im Visier. Der älteste Sohn des einstigen bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß soll beim Verkauf von Airbus-Flugzeugen mindestens 5 Millionen Mark Provisionen vom Lobbyisten Karlheinz Schreiber kassiert und am Finanzamt vorbeigeschleust haben. Doch ob er wegen Steuerbetrugs angeklagt wird, ist immer noch nicht entschieden.
Das Problem der Staatsanwaltschaft: Die Ermittler verloren auf mysteriöse Weise das wichtigste Beweisstück, die Computerfestplatte von Max Strauß. Die Daten seien unwiederbringlich weg, erklärte gestern Computerexperte Ralph Hensel vor dem Schreiber-Untersuchungsausschuss im bayerischen Landtag.
Hensel sollte die Daten der Festplatte 1996 in seiner Firma „Convar“ in Pirmasens in Rheinland-Pfalz wieder lesbar machen. Denn der offensichtlich vorgewarnte Max Strauß, damals Chef eines Münchner CSU-Ortsvereins, hatte die Festplatte bereits mit einem Datenlöschprogramm mehrfach überschrieben, als die Ermittler bei ihm auftauchten. Zur Rekonstruktion der brisanten Daten kam es aber nicht. Hensel bekam dazu keinen Auftrag, weil er selbst erklärt hatte, es würde nicht viel bringen. Er räumte aber vor dem Ausschuss ein, dass etwa zehn Prozent der ursprünglichen Dateien hätten wiederhergestellt werden können. Vermutlich wären noch Adressen, Telefonnummern und einiges mehr zu retten gewesen.
„Die Staatsanwaltschaft hat an der falschen Stelle gespart“, meinte die grüne Abgeordnete Susanna Tausendfreund. Höchstens 10.000 Mark hätte die Rekonstruktion gekostet. Im Sommer 1996 schließlich verlor ein Subunternehmer eines Gutachters die Festplatte in Germering. Erst im Jahr 2000 bemerkte die Staatsanwaltschaft den Verlust.
Zum Skandal wurde der Fall Max Strauß aber auch, weil das bayerische Landeskriminalamt sich weigerte, die zerstörte Festplatte wiederherzustellen. Die Bitte der Staatsanwaltschaft wurde einfach ignoriert. Vor dem Schreiber-Ausschuss leugneten die LKA-Spitzenbeamten auch noch, gewusst zu haben, dass es sich um die Festplatte von Max Strauss handelte. Ihre Aussage mussten sie bei einer erneuten Vernehmung widerrufen.
Max Strauß wird in drei Wochen vor den Ausschuss verhört. Auch seine Schwester, die Kultusministerin Monika Hohlmeier, ist in den Fall involviert. Ob sie von den Provisionen profitierte, muss sie im März erklären. Dann sind auch die verantwortlichen zwei früheren und der jetzige Justizminister dran. Nur Ministerpräsident Edmund Stoiber ist bis jetzt noch nicht vorgeladen. Das behält sich die Opposition aber noch vor. Auf der Zeugenliste steht auch Helga Stein, die ältere Schwester von Stoiber. Stein arbeitete in der MBB-Abteilung für Spenden. Nach dem Verkauf von zwölf Hubschraubern an die kanadische Küstenwache sollen Provisionen über Schreiber und deutsche Unternehmen an die CSU geflossen sein. Mit dem Geld soll sich der konservative kanadische Exregierungschef Brian Mulroney für die CSU-Hilfe im Wahlkampf bedankt haben. OLIVER HINZ
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