: Kommt die EU-Agrarreform?
In Polen stoßen die Brüsseler Subventionsvorschläge nicht nur auf negative Reaktionen. Niederlande wollen Direktzahlungen für alle Bauern abschaffen
BRÜSSEL taz ■ Als die EU-Kommission am Mittwoch darlegte, wie sie sich den Einstieg der neuen Mitglieder ins Brüsseler Agrarsubventionsgestrüpp vorstellt, fand der für Erweiterung zuständige Kommissar Günter Verheugen deutliche Worte: „An die Adresse Polens sage ich Folgendes: Unverantwortliche Kräfte haben die Illusion genährt, es könnte sofort die gleichen Beihilfen geben wie in der EU-15. Es war kriminell, das der polnischen Bevölkerung zu erzählen.“
Ebenso wie Agrarkommissar Franz Fischler, Kommissionspräsident Romano Prodi und die Budgetkommissarin Michaele Schreyer richtete Verheugen den dringenden Appell an die Kandidatenländer, das Gesamtpaket aus Direktbeihilfen und Strukturförderung zu sehen und die Gunst der Stunde zu erkennen: Eine Erweiterung sei mit zunächst 25 Prozent der Direktbeihilfen zu haben, die den Bauern der alten EU zustehen, oder überhaupt nicht.
Das Flehen und Drohen scheint Wirkung zu zeigen. Die konservative Warschauer Zeitung Rzeczpospolita schrieb gestern: „Die Annahme des Kommissionsvorschlags wäre vernünftig. Scharfe Rhetorik an die Adresse der Union kann sich als gefährlich für die Ergebnisse des polnischen Referendums im kommenden Jahr erweisen. Es ist Zeit, sich daran zu gewöhnen, dass die europäische Integration dank schwieriger Kompromisse vorankommt.“
Und die linksliberale Gazeta Wyborcza meinte: „Die Brüsseler Finanzvorschläge für die neuen Mitglieder der Union sind kein Grund zum Jubel, aber noch weniger zur Hysterie. Schon allein die Tatsache, dass Polen vom Jahr 2004 an Milliarden von Euro erhalten soll, ist ein Erfolg der polnischen Regierungen. Machen wir uns doch klar, solche Summen findet keine Regierung anderswo. Und letztlich gibt die Union, und nicht wir. Und wir wollen der Union beitreten, nicht die Union uns.“
Auch im Europaparlament erntete das Kommissionspapier, nach dem die Direktbeihilfen erst 2013 das Niveau in der alten EU erreichen sollen, gleichzeitig mehr Geld in ländliche Entwicklung fließt und die finanziellen Vorgaben des Gipfels von Berlin strikt eingehalten werden, bei allen Parteien Zustimmung. Der konservative Abgeordnete Elmar Brok sieht die Chancen für eine Agrarreform steigen. Er betont allerdings, dass in der Strukturpolitik das Mehrheitsprinzip im Rat eingeführt werden müsse.
Beim Gipfel von Nizza hatte Spanien darauf bestanden, das System, nach dem ein einzelnes Land überfällige Reformen blockieren kann, noch für die Verhandlungen zur nächsten Finanzplanungsperiode beizubehalten. Sie endet erst 2013. Damit sinken die Chancen für eine überfällige Reform der Strukturfonds, und die neuen Mitglieder können künftig ebenfalls als Blockierer und Besitzstandswahrer auf die Bremse treten. Für die ebenfalls überfällige Reform des Agrarsubventionswahnsinns zeichnet der nun auf dem Tisch liegende Verhandlungsvorschlag der EU-Kommission einen Weg vor. Allmählicher Ausstieg aus der „Droge“ Produktionssubvention, gleichzeitig mehr Geld für die Erhaltung des ländlichen Raums und für alternative Beschäftigungsmöglichkeiten auf dem Land. Sollten sich die Kandidatenländer für diesen Weg tatsächlich offen zeigen, sind die Altländer gefordert, es ihnen nachzutun.
Einen Anfang machte dabei am Mittwoch die Regierung der Niederlande. Den Haag erklärte, Direktzahlungen an die Beitritts-Bauern nur zuzustimmen, wenn sich auch die Altmitglieder zu einer schrittweisen Abschaffung dieser Subvention verpflichten. So könnte schon 2006, wenn die laufende Finanzplanungsperiode endet, das Thema unterschiedlicher Subventionen und daraus resultierender Wettbewerbsverzerrungen zwischen Ost- und Westeuropa vom Tisch sein. DANIELA WEINGÄRTNER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen