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„Wir öffnen Erregungskorridore“

Als eine von vielen globalisierungskritischen Gruppen fährt „Pink Silver“ heute nach München. Pink Silver will dort gegen die Sicherheitskonferenz demonstrieren. Aber warum in diesem Aufzug?

taz:Wie unterscheidet ihr euch von Gruppen wie attac?

Hannes R.: attac will ernst genommen werden und direkt mit Leuten wie Schröder reden. Deshalb ist es für sie nur konsequent, sich an Regeln etwa des Strafgesetzbuchs zu halten. Für mich verändert man die Gesellschaft aber nicht im Diskurs mit den Politikern. Deshalb kann ich auch gut darauf verzichten, mich wie ein Dialogpartner zu verhalten. Spätestens, als attac sich von radikalen Widerstandsformen distanzierte, war das Thema für mich durch.

Bei unseren Aktionen wollen wir möglichst unberechenbar sein und uns nicht in Schubladen drängen lassen. Deshalb auch die Farben Pink und Silver. Die sind bisher noch nicht politisch besetzt, sondern lassen Assoziationen mit Glamour und Queer-Trans-Gender-Bereichen zu.

Der Verdacht drängt sich auf, eure glamourösen Kostüme wären nur dazu da, eure Gewaltbereitschaft zu kaschieren.

Olli M.: Auf Demos sind Polizei und Gegenseite inzwischen eine Art eingespieltes Team mit festen Ritualen. Pink Silver versucht, sich dieser Logik zu entziehen. Das heißt, dass wir je nach Situation den Grad der Konfrontation bestimmen und die Erwartungen der Bullen immer wieder fantasievoll zu durchbrechen versuchen. Politik machen hat immer etwas mit Taktik zu tun.

Hannes R.: Die Bullen zu verwirren ist zwar ein netter Effekt, aber nicht der alleinige Sinn von Pink-Silver. Im Fummel rumzulaufen verändert auch meine Selbstwahrnehmung. Es geht darum, angreifbar zu sein und doch Entschlossenheit zu zeigen. Eben Geschlechterrollen aufzubrechen.

Wozu soll man auf einer Demo mit Geschlechterrollen spielen?

Hannes R.: Das ist kein Spiel. Es ist vielmehr der Wunsch, Geschlechterdenken aufzuheben. Denn die Machtverhältnisse basieren nun einmal maßgeblich auf der Konstruktion von Geschlecht. Wenn man Gesellschaft also grundlegend verändern will, muss man auch die Bilder von Männlichkeit und Weiblichkeit, über die sämtliche Formen von Beziehungen hergestellt werden, thematisieren und auflösen.

Lassen sich solche Inhalte mit eurem karnevalesken Auftreten überhaupt vermitteln?

Olli M.: Gerade Bilder und Ästhetik vermitteln eine Menge. Und Pink Silver erregt durch seine eigenwillige Ästhetik Aufmerksamkeit und Neugierde. Das macht Erregungskorridore auf, die Menschen dazu motivieren können, genauer hinzusehen und sich dann auch mit den Inhalten zu befassen. In dem Moment, wo Pink Silver alleine steht, ist es für mich aber wichtig, durch Flugis (Flugblätter, d. Red.) und Transparente Klarheit zu schaffen.

Im Internet rufen Pink Silver zusammen mit „Hippies“ und „Wesen“ zu einem „carnival against NATO“ auf. Das klingt nach leichter Kost mit wenig Inhalt.

Olli M.: Ich kann auch nicht so viel mit dem Aufruf anfangen. Es klingt, als sollen die Leute mit einem Spaßversprechen mobilisiert werden. Grundsätzlich halte ich es aber erst einmal für sehr gut, von bestimmten linken Demonstrations-Ritualen abzuweichen. Und ob so etwas leicht zu konsumieren ist, hängt stark davon ab, was die einzelnen Gruppen daraus machen.

Was hat Pink Silver eigentlich gegen die Sicherheitskonferenz?

Olli M.: Unter dem Vorwand der Sicherheit treffen sich zu dieser Tagung in München Politiker und Militärs, die hier den Gewaltapparat organisieren, den sie brauchen, um die herrschende Gesellschafts- und Geschlechterordnung aufrechtzuerhalten.

Hannes R.: Sie liefern uns Bilder hegemonialer Männlichkeit: emotional kontrolliert, souverän gepanzert, selbstbewusst. Genau da setzt Pink Silver an.

INTERVIEW: SANDRA PAULI

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