: Wider die Ungleichheit
Aufgaben wie Kindererziehung, Bildung und Gesundheitsversorgung, heißt es in der „Erklärung“ von Porto Alegre, gehören nicht in private Hände
aus Porto Alegre HANNES KOCH
Nun wird es doch noch eine Art Abschlusserklärung des Weltsozialforums geben, das heute im brasilianischen Porto Alegre zu Ende geht. Unter anderem die brasilianischen Veranstalter hatten ein solches Dokument abgelehnt, um keine Hierarchie der Ziele aufzustellen und den fragilen Zusammenhalt der globalisierungskritischen Bewegung nicht zu gefährden. Doch die Attac-Chefs aus Paris haben die Sache in die Hand genommen und viele Teilnehmer, darunter auch Organisationen aus Lateinamerika, zur Mitarbeit am Text bewegt.
Die „Erklärung der sozialen Bewegungen“, die gestern nahezu fertig war, benennt neben den bekannten Zielen wie Einführung der Tobinsteuer auf Devisentransaktionen und Auflösung der Steueroasen auch neue Punkte. Dazu gehört das Menschenrecht auf eine selbstbestimmte Ernährung. Die Globalisierungskritiker sprechen sich damit gegen die Patentierung etwa von indischem Reis durch westliche Konzerne aus. Die Einwohner jedes Landes müssten das unveräußerliche Recht haben, sich auf ihre eigene Weise zu versorgen.
Dienstleistungen wie Kindererziehung, Bildung und Gesundheitsversorgung halten Attac & Co für Aufgaben der gesamten Gesellschaft, die nicht in die Hände privatwirtschaftlicher Unternehmen gelegt werden dürften. Das würde zu weiterer Ungleichheit zwischen den Menschen und damit zu einer Verschärfung der Unterschiede zwischen Arm und Reich führen. Weiterhin sollen alle Auslandsschulden von Staaten bedingungslos gestrichen werden. Manche Länder hätten schon die dreifache Summe dessen an die Banken des Nordens überwiesen, was sie einst geliehen bekamen.
Im Hinblick auf die Anschläge vom 11. September und den nachfolgenden Angriff der USA auf Afghanistan warnt die Erklärung vor einem „permanenten globalen Krieg“. Die Militäraktionen der USA würden sich faktisch vornehmlich gegen die Menschen in den betroffenen Ländern richten. Das Bestreben der USA, unter dem Vorwand des Terrorismus weltweit Ordnung zu schaffen, sei „die andere Seite des Neoliberalismus“.
Diese Formulierung stuft den Terrorismus gegen die USA als eine potenzielle Folge der Globalisierung und der damit einhergehenden Armut ein. In diesem Zusammenhang verlangen die Globalisierungskritiker auch, dass alle ausländischen Militärbasen, wie etwa die der USA im kubanischen Guantánamo, geschlossen werden.
Parallel zum Weltsozialforum haben auch rund 300 Parlamentarier aus aller Welt, die ebenfalls in Porto Alegre tagten, gegen den Neoliberalismus und den Krieg Stellung genommen. Die Abgeordneten, darunter zwei von der SPD und eine von der PDS aus Deutschland, lehnen die geplante Freihandelszone von Alaska bis Feuerland (FTAA) als USA-dominiert ab. Der Krieg als Antwort auf den Terrorismus berge die Gefahr weiterer Radikalisierung in sich.
Das nächste Weltsozialforum im Jahre 2003 in Porto Alegre wollen die Veranstalter durch regionale Foren in Europa und anderen Weltgegenden vorbereiten. Die europäische Veranstaltung könnte im kommenden Herbst in Rom stattfinden. Außerdem diskutiert man über ein regionales Sozialforum in Jerusalem, das Israelis und Palästinenser an einen Tisch bringen soll.
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