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Kanzler verliert die Fassung

Gerhard Schröder reagiert zunehmend nervös auf den drohenden blauen Brief aus Brüssel. Der EU-Kommission unterstellte er andere als ökonomische Gründe. Die wies die Vorwürfe zurück

BERLIN taz ■ Zwischen der EU-Kommission und Bundeskanzler Gerhard Schröder bahnt sich ein handfester Krach an. Schröder hatte in einem Interview mit der International Herald Tribune behauptet, für einen blauen Brief aus Brüssel gebe es wohl „andere als ökonomische Gründe“. Die EU-Kommission wies diese Vorwürfe gestern entschieden zurück. EU-Kommissionspräsident Romano Prodi sagte in Brüssel, für eine „Frühwarnung“ an Berlin gebe es keine anderen Gründe als das hohe Staatsdefizit.

Die Kommission hatte letzte Woche eine solche Warnung vorgeschlagen, weil das deutsche Defizit, gemesssen am Bruttoinlandsprodukt (BIP), in diesem Jahr voraussichtlich 2,7 Prozent erreichen wird. Damit gerät die Bundesrepublik in die Nähe der Höchstgrenze von 3 Prozent, die der europäische Stabilitätspakt vorsieht.

Die Sparpläne des Finanzministers sind aus mehreren Gründen gefährdet: Erstens blieb das Wirtschaftswachstum vergangenes Jahr mit 0,6 Prozent weit hinter den Erwartungen zurück. In der Folge sanken die Steuereinnahmen und stiegen die Ausgaben für Arbeitslose. Auch in diesem Jahr rechnet Hans Eichel nur mit 0,75 Prozent Wachstum. Zweitens belasten Steuerausfälle in Milliardenhöhe den Bundeshaushalt. Drittens trägt die marode Finanzlage der Länder und Kommunen erheblich zum Loch in Bundeshaushalt bei.

Unterdessen hat das Finanzministerium einen Zeitungsbericht dementiert, wonach künftig nicht mehr das tatsächliche Haushaltsdefizit berücksichtigt werden solle, sondern ein „um konjunkturelle Einflüsse bereinigter Wert“. Gerüchte, denen zufolge auch im Bundesfinanzministerium über eine Aufweichung der Kriterien nachgedacht wird, waren bereits im vergangenen Jahr bekannt geworden.

KATHARINA KOUFEN

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