Kanzleramt ganz unverwickelt

Bundesregierung: Ja, der Mitarbeiter der Bundesanstalt für Arbeit hat sich schon im Dezember mit Kritik an seiner Behörde gemeldet; nein, um geschönte Zahlen ist es dabei nicht gegangen. Regierung rückt immer weiter von Jagoda ab

aus Berlin ANDREAS WYPUTTA

Die Bundesregierung hat gestern Presseberichte zurückgewiesen, auch das Kanzleramt sei in den Skandal um Schlampereien der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit (BA) verwickelt. Das Handelsblatt berichtete gestern, derselbe Innenrevisor, bei dem sich Arbeitsminister Walter Riester Ende Januar – an Behördenchef Bernhard Jagoda vorbei – über die Missstände in der BA informierte, habe sich auch bereits am 6. Januar an den Staatsminister im Kanzleramt Hans Martin Bury (SPD) gewandt.

Der Sprecher der Bundesregierung Uwe-Karsten Heye bestätigte gestern zwar, ein solcher auf den 24. Dezember datierter Brief sei bereits am 3. Januar im Abgeordnetenbüro Burys eingegangen und von dort aus ans Kanzleramt weitergeleitet worden, wo er am 6. Januar eintraf. Allerdings sei das Schreiben wenig konkret gehalten gewesen und habe sich nicht auf die am Dienstag dieser Woche vom Bundesrechnungshof aufgedeckten gefälschten Statistiken der BA bezogen. Es sei vielmehr im Allgemeinen um die ineffiziente Arbeit der Arbeitsverwaltung gegangen. Erst vor dem Hintergrund des Rechnungshofberichts habe der Innenrevisor, der zunächst um Vertraulichkeit gebeten habe, seine Zurückhaltung gegenüber dem Bundesarbeitsministerium aufgegeben.

Die Frage, ob in der BA ein derartiges „Klima der Angst“ herrsche, dass es ein Mitarbeiter nicht wage, sich dem Arbeitsministerium zu offenbaren, wollte Ministeriumssprecher Klaus Vater nicht kommentieren. Riesters Sprecher betonte aber, es handele sich um einen „ehrenwerten, mutigen Mann, der, von seinem Gewissen getrieben“, gehandelt habe. Insgesamt sei die Reaktion der Regierung „sehr schnell und zeitnah“ erfolgt.

Die Opposition dagegen kritisierte die Regierung scharf. Der Skandal habe nun auch Bundeskanzler Gerhard Schröder erreicht, erklärte der Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Michael Glos. CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer warf der Regierung vor, sie handele nach dem Motto „Vertuschen statt handeln“.

FDP-Bundestagsfraktionsvize Rainer Brüderle forderte die BA-Vorstände Christoph Kannengießer und Ursula Engelen-Kefer auf, von ihren Ämtern zurückzutreten – beide hätten als Kontrolleure versagt.

Der Kanzlerkandidat der Union, Edmund Stoiber (CSU), äußerte sich vorsichtiger: Sollten sich die Vorwürfe gegen die BA bewahrheiten, stünden die Rücktritte von BA-Präsident Jagoda und Arbeitsminister Riester an, meinte der bayerische Ministerpräsident. Er wolle allerdings keine „vorschnellen Forderungen“ stellen.

Die Bundesregierung scheint dagegen das Versagen der BA bei der Vermittlung Arbeitswilliger nicht mehr zu bezweifeln. Ministeriumssprecher Vater bezeichnete einen Bericht des Stern, der bereits Mitte Dezember auf die katastrophale Arbeitsweise vieler Arbeitsämter hingewiesen hatte, als „verdienstvolle Beschreibung eines Teils der Wirklichkeit“. Die BA hatte den Bericht gegenüber der taz noch am Dienstag als „an den Haaren herbeigezogen“ bezeichnet.

Ein Rücktritt des angeschlagenen BA-Präsidenten Jagoda noch vor der von Arbeitsminister Riester gesetzten Aufklärungsfrist bis 15. Februar wird nicht nur durch die Distanzierung des Arbeitsministeriums immer wahrscheinlicher. Auch Jagodas Dementi kingt nicht überzeugend. Er bleibe bei seiner Aussage von Mittwoch, „bei Sturm geht ein Kapitän nicht von Bord“, ließ Jagoda seinen Sprecher Eberhard Mann ausrichten. Wie ein Kapitän darauf komme, sein Schiff direkt in einen Orkan zu steuern, sagte Mann allerdings nicht.

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