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Einsam auf der Klippe vertäut

Gescheitert durchs Leben, Einzug ins Haus der Ahnen, vorbeitreibende Leichen im Fluss: Lasse Hallströms „Shipping News“ (Wettbewerb) fängt gut an, schifft dann aber voll ab

Eigentlich geht „Shipping News“ ganz gut los: Am Anfang steht eine traumatische Erfahrung. Der Vater schubst seinen kleinen Sohn ins Wasser, auf dass er schwimmen lerne. Der kann’s leider nicht, wird vom Vater beschimpft und hat auch in seinem weiteren Leben das beständige Gefühl, ein Versager zu sein. Quoyle (Kevin Spacey) ist beziehungsunfähig, bricht sein Studium nach einem Jahr ab und arbeitet später als Drucker.

Als der einsame Mann um die 40 an einer Tankstelle steht, steigt Petella (Cate Blanchett), eine Frau, die so unangenehm wirkt wie ein Playmate, in sein Auto und befiehlt ihm, schnell wegzufahren. Das tut er. Nachts fickt sie ihn. Die Szene ist super! Sein Gesichtsausdruck wirkt nicht so, als hätte er dabei besonders viel Spaß, auch wenn er sich in sie verliebt. Sie heiratet ihn und bekommt ein Mädchen, das sie vernachlässigt. Außerdem findet sie ihren Mann und sowieso die meisten Leute furchtbar langweilig und bringt gerne Männer ins Haus, mit denen sie schläft. Er ist nicht der Typ, ihr eine Szene zu machen, sondern leidet still.

Von nun an – es ist grad eine halbe Stunde vergangen – geht’s bergab: Petella verlässt Quoyle und kommt bei einem Autounfall ums Leben; seine beiden Eltern bringen sich um. Mit seiner Tante Agnis (Judie Drench) zieht er nach Neufundland. Dort kommen seine Vorfahren her, die Piraten waren. Mit Tochter und Tante zieht Quoyle in das Haus seiner Ahnen, das einsam an einer Klippe steht. Zufällig wird er Reporter für das Lokalblatt.

Irgendwie mag man den Film, der wirklich gut begann, gar nicht weitererzählen, weil alles viel zu viel ist: Das gruslige Haus, in dem sie wohnen, wurde früher – so Werner-Herzog-mäßig – von einer Insel an seinen Platz gezogen und ist vertäut wie ein Schiff. Der autodidaktische Journalist kann binnen kürzester Zeit prima schreiben. Seine Vorfahren schnitten Leuten die Nase ab und ließen sie dann von Fliegen fressen. Der Großvater starb mit zwölf. Tante Agnis wurde, als sie zwölf war, von ihrem Bruder vergewaltigt, mordete ihr Kind und hatte auch sonst kein Glück in ihrem Leben. Am Rande der kleinen Ortschaft lebt ein halbirrer Cousin. Ohne Kopf treibt eine Leiche vorbei. Die nette Kindergärtnerin (Julianne Moore), in die sich Quoyle verguckt, hat auch viele Leichen im Keller.

Hätte Lasse Hallström dies alles so eher Pulp-Fiction-mäßig inszeniert, wäre es vielleicht ein toller Film geworden. Hat er aber nicht, und eigentlich hätte man schon ziemlich am Anfang stutzig werden müssen, als der Bullerbü-Regisseur das angebliche Losertum seines Helden dadurch charakterisierte, dass er ihn in einer Druckerei arbeiten und einen neuen Kombiwagen fahren ließ. DETLEF KUHLBRODT

„The Shipping News“. Regie: Lasse Hallström. USA 2002, 111 Min.

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