: Arbeitsamt unter Beschuss
Auch das Landesarbeitsamt Berlin-Brandenburg soll seine Statistik geschönt haben: bei der Vermittlungsquote von ABM-Stellen. Behördensprecher Pohl weist Vorwürfe der CDU zurück
von MARIJA LATKOVIC und FELIX LEE
Der Skandal um geschönte Zahlen bei der Vermittlung von Arbeitslosen hat Berlin erreicht. Angeblich soll auch das Landesarbeitamt Berlin-Brandenburg weniger Stellen vermittelt haben als bislang angegeben. Konkret geht es um die Zahl der Arbeitlosen, die über Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) eine Stelle auf dem ersten, regulären Arbeitsmarkt gefunden haben. Wie die Berliner Morgenpost gestern berichtete, liegt die Erfolgsquote in diesem Bereich bei gerade einmal 7 Prozent. Die Behörde habe aber stets von 44 Prozent gesprochen. Als Quelle der Vorwürfe wird der Arbeitskreis Christlich Demokratischer Juristen (ACDJ) genannt. Dessen Vorsitzender Wolfgang Hummel fordert „eine Offenlegung der wirklichen Vermittlungszahlen“.
Das Landesarbeitsamt sieht aber keinen Grund, sich zu rechtfertigen. „Wir haben niemals behauptet, 44 Prozent der ABM-Teilnehmer auf den ersten Arbeitsmarkt vermittelt zu haben“, sagt Behördensprecher Klaus Pohl. Man habe stets von 7,6 Prozent gesprochen. Dies sei das Ergebnis einer Untersuchung von vor zwei Jahren. Derzeit gibt es in Berlin 12.300 Menschen in ABM. Weitere 3.800 sind in Strukturanpassungsmaßnahmen (SAM) beschäftigt. Von Altenpflege bis Gartenbau – die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig.
Pohl stellte gestern klar, dass nur die Verbleibsquote bei 44 Prozent liege. Dabei handelt es sich um den Anteil derer, die, sechs Monate nachdem sie eine ABM-Stelle verlassen haben, nicht mehr arbeitslos sind. „Nicht mehr arbeitslos bedeutet aber nicht, dass sie einen neuen Arbeitsplatz gefunden haben“, erklärt Pohl. Die Betroffenen seien meist krankgemeldet, in Rente oder Mutterschaftsurlaub.
Der ehemalige Finanzsenator Peter Kurth (CDU), der jetzt arbeitsmarktpolitischer Sprecher seiner Fraktion ist, zeigte sich gestern versöhnlicher gegenüber dem Arbeitsamt. Er sagte der taz, dass man den betroffenen Mitarbeitern nicht sofort Fälschung von Unterlagen vorwerfen sollte.
Auch die Vorsitzende des Berliner Arbeitslosenverbandes Marion Drögsler hält es für unwahrscheinlich, dass das Landesarbeitsamt Berlin-Brandenburg eine Erfolgsquote von 44 Prozent angegeben haben soll. Mehr als 7 Prozent seien bei ABM nicht möglich. „Denn in der Realität führen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nicht zu einer Festanstellung auf dem ersten Arbeitsmarkt“, so Drögsler. Oft handle es sich um schwer vermittelbare Fälle wie Langszeitarbeitslose oder chronisch Kranke.
Der Sprecher des Landesarbeitsamtes glaubt, dass „ABM keine Brücke zum ersten Arbeitsmarkt ist“, und spricht lieber von einem „Trostpflaster“. Eine Privatisierung der Arbeitsvermittlung lehnt er aber genauso ab wie den Verzicht auf ABM.
„Private Anbieter der Arbeitslosenvermittlung, die zwar durchaus höhere Erfolgsquoten aufweisen, können das Problem der Massenarbeitslosigkeit auch nicht lösen“, glaubt auch CDU-Mann Kurth. Insgesamt sei eine Reform der Arbeitsmarktpolitik und -verwaltung dringend notwendig.
Die Zahlen, die in der vergangenen Woche aus dem Bundesrechnungshof bekannt wurden, geben Kurth dabei Recht. Auch der Sprecher des Landesarbeitsamtes spricht von „missverständlichen Runderlassen der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit“, die immer wieder zu Fehlern führen würden. Eine Untersuchung im Arbeitsamt Frankfurt (Oder) hat eben erst ergeben, dass dort in 8,4 Prozent der Fälle keine erfolgreiche Vermittlung eines Arbeitsplatzes erfolgt ist. ABM-Stellen sind davon anscheinende nicht betroffen. Inwieweit sich die Ergebnisse auf Berlin übertragen lassen, ist ebenfalls nicht klar. Es sind neue Untersuchungen geplant. Die vom Bundesrechnungshof genannten 70 Prozent fehlerhaft verbuchter Vermittlungen hält Pohl aber für ausgeschlossen. Auch die jüngsten Vorwürfe des ACDJ könnten nicht zutreffen.
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