: „Schill wird in Berlin nicht Fuß fassen“
Politologe Hajo Funke: Rechter Flügel der CDU derzeit zu stark. Kritische Öffentlichkeit soll Schills Populismus entlarven
taz: Herr Funke, wird Schills Partei ihren Erfolg von Hamburg auf Berlin übertragen?
Hajo Funke: Das glaube ich nicht. Die Partei wird von jemandem geführt, der keine Erfahrung in der politischen Arbeit hat, der keinen Unterbau in seiner Partei hat und der nicht einmal weiß, wie man innerparteiliche Debatten führt. Noch schlimmer: Der Führer gerät selbst in die Zone der Affären.
In Berlin wird der Aufbau der Partei aber derzeit von einer Frau geleitet, die als ehemaliges CDU-Mitglied durchaus politische Erfahrung aufweisen kann. Könnte es ihr nicht gelingen, Schills Partei salonfähig zu machen?
Auch wenn sie als erfahren gelten mag – es reicht nicht, wenn eine Einzelperson das Unseriöse dieser Rechtspopulisten aufzuwiegen versucht. Wenn Herr Schill in die Affärenzone gerät und damit seine Legitimität verliert, verlieren auch seriöse Personen ihren Ruf, die vorher bei der CDU waren.
Könnte die Schill-Partei nicht mit dem Thema innere Sicherheit trumpfen?
Da wird Schill deswegen in Berlin keinen Fuß fassen, weil wir hier eine andere Konstellation haben als in Hamburg. Es gibt die CDU, die seit Jahren neben einem liberalen Flügel, einen nationalistischen, latent bis offen fremdenfeindlichen Flügel aufweist, mit zum Beispiel Heinrich Lummer, Dieter Heckelmann und insbesondere Eckart Werthebach.
Könnte nicht gerade dieser Personenkreis mittelfristig mit der Schill-Partei sympathisieren?
Diese CDU-Leute werden sich hüten, sich einem so waghalsigen Abenteuer hinzugeben. Momentan ist der rechte Flügel in der CDU wieder stark. Dieser Personenkreis findet in der CDU gerade eine sehr gute Heimat.
Wie schätzen Sie das rechtsextremistische Gefahrenpotenzial der Schill-Partei ein?
Die Partei spielt sich rechtspopulistisch auf. Zwar vermeidet sie eindeutige rechtsextrem identifizierbare Positionen, spielt aber auf das an, was typisch rechtsextremistisch ist: Law-and-order-Parolen gekoppelt mit Fremdenfeindlichkeit.
Ein Kriterium für Populismus ist die Vereinfachung von Problemen. Berlins Finanzsituation bietet sich nun nicht gerade als simplifizierbares Problem an.
Der zentrale Punkt des Rechtspopulismus ist, Probleme „Feinden“ zuzuweisen. Nach dem Motto: Wir lösen die Kriminalität, indem wir die afrikanischen Drogendealer bekämpfen. Wenn das einer kritischen Öffentlichkeit auffällt, ist die Legitimität dieser vereinfachten Botschaft auch bei denen schnell vorbei, die sich autoritär von so etwas ansprechen lassen. Die Schill-Partei wird sich darüber nicht profilieren können, da fehlt ihr einfach die Kompetenz.
Auch nicht als Protestpartei?
Sicher, es gibt dieses autoritär nationalistische Potenzial, das aktuellen Umfragen zufolge um 30 Prozent und als Wählerpotenzial für rechtspopulistische Parteien bei bis zu 15 Prozent liegt. Die Schill-Partei wird sie aber nicht aufsaugen. Dafür ist diese Partei schon jetzt zu inkonsistent, inkompetent und führungsunfähig – wie sie in Hamburg gerade beweist.
Sie sehen also für Berlin keine Gefahr, die von der Schill-Partei ausgehen könnte?
Zumindest auf absehbare Zeit nicht. Das heißt jedoch nicht, dass es deswegen keinen Handlungsbedarf gibt. Im Gegenteil: Nur wenn die kritische Öffentlichkeit genau diese Hohlheit ihres populistischen, substanzlosen Charakters auch wirklich charakterisiert, bleibt der Einfluss dieser Partei gering.
INTERVIEW: FELIX LEE
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