Akten bald offen

In Tschechien werden Unterlagen der ehemaligen Staatssicherheit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht

PRAG taz ■ Tschechien macht Ernst mit der Vergangenheitsbewältigung: Ende vergangener Woche entschied das Parlament, die Akten der ehemaligen tschechoslowakischen Staatssicherheit (StB) der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Wer in der eigenen Vergangenheit rumstochern will, darf nicht nur herausfinden, ob und was die StB über ihn geschrieben hat, sondern auch, welcher Schlapphut ihn bespitzelt hat. „Ich glaube, es ist im Interesse der Gesellschaft, dass diese Informationen öffentlich zugänglich sind“, erklärte Senatorin Dagmar Lastovecka, die den Vorschlag ausgearbeitet hat.

Das neue Gesetz ermöglicht Akteneinsicht auch für Emigranten – sofern diese noch die tschechische Staatsbürgerschaft besitzen – und Angehörige schon verstorbener StB-Opfer. Wie Pavel Theiner, der neugierig ist, was die Schnüffler so alles über seinen Vater zusammengetragen hatten. Der, ein jüdischer Intellektueller und Übersetzer, war 1968 nach England geflüchtet und leitete dort die Exilorganisation „Index on Censorship“. „Warum sollen wir heute nicht erfahren, was man damals über uns fabriziert hat?“, meint Theiner.

Andere sehen die Öffnung des StB-Archivs kritisch. „Logischer Schritt zur Vergangenheitsbewältigung oder Zeitbombe“, fragte die Tageszeitung Mlada fronta Dnes. Selbst prominente Opfer der kommunistischen Machtmaschinerie sehen die Öffnung der StB-Akten mit Besorgnis. „Die haben sich etwas ausgedacht, gelogen, und das soll nun veröffentlicht werden?“, wundert sich Exdissident Petr Uhl, der neun Jahre in den Gefängnissen der tschechoslowakischen Geheimpolizei einsaß.

Ob das neue Gesetz auf großes Interesse bei den Tschechen stößt, bleibt abzuwarten. Hatte sich doch die Mehrheit nach der Niederschlagung des „Prager Frühlings“ 1968 nach anfänglicher Resignation mit dem Regime arrangiert. ULRIKE BRAUN