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Gut gefilmte Rinder

Jean Rouch und die Magie: „Le rêve plus fort que la mort“ (Forum) handelt vom Niger, der Wahrheit von Träumen, dem Opfern von Tieren, dem Wahrsagen mit Sandzeichnungen und schließlich von Frauen, die sich in Trance tanzen

Dass gerade ich – gelernter Rinderpfleger aus der Wesermarsch – den neuen Film von Jean Rouch, „Der Traum ist stärker als der Tod“ rezensieren sollte … Denn er handelt von der Rinderpflege am Niger. Dort werden fünf Sprachen gesprochen – ich verstand kaum eine. Aber die früheren Jean-Rouch-Filme spielten bereits an diesem Fluss: „Madame L’Eau“ und „Ich bin müde vom Stehen, ich liege“. Und dabei ging es ebenfalls um die Wahrheit von Träumen, das Opfern von Tieren, das Wahrsagen mit Sandzeichnungen und um Frauen, die sich in Trance tanzen.

Im Mittelpunkt des neuen Jean-Rouch-Films stehen wieder drei Senioren – ein alter Bauer (mit Jaguar-Cabrio diesmal), ein alter Godié-Spieler und ein alter Hirte. Eindringlich verdeutlicht der Regisseur wieder seine „Cinéma verité“-Überzeugung, dass die Kamera die Handlung beeinflusst, weswegen sie mit einbezogen werden muss. Hier ist er es jedoch eher selbst, der bei den Veranstaltungen dabei ist und von den Tänzerinnen Huldigungen entgegennimmt, es wird ihm sogar ein Lied gewidmet.

Während der Film „Madame L’Eau“ von der landwirtschaftsschädigenden Selbstveränderung des Flussbettes handelt – und wie Jean Rouch dabei zusammen mit dem holländischen Entwicklungshilfeminister helfend eingreift –, geht es in „Le rêve plus fort que la mort“ um die Veränderung des Niger durch den Menschen selbst: Auch das muss „geheilt“ werden. Während damals noch Windmühlen aus Holland halfen, müssen nun allerhand Ritualopfer her.

In der Wesermarsch hat man stets beides auf einmal erledigt: Erst den physikalisch-technischen Deichbau und dann – auf der Krone – ein metaphysisches Schafopfer. Nicht zu vergessen die ganze Papiermagie vor diesem Fluss-Doppelzauber: Stempel, Unterschriften, Bittgesuche etc. Auch die Feste sind hier wie dort nicht nur jahreszeitlich identisch, sondern auch ähnlich ritualisiert, wobei man im Film jedoch nicht erfährt, was bei den Solos Angabe, Selbstdarstellung und peinlich ist. Aber das weiß man bei den hiesigen Tanzveranstaltungen auch nicht genau. Generell geht es stets darum, dass die Männer mittels Musik die Frauen zum Tanzen bringen.

Selten sah ich so gute Rinderaufnahmen wie in diesem Film: schwimmende Rinder, ruhende Rinder und ganze Herden, die am Ufer entlanggetrieben wurden. Gewiss, der Elbemarschbauer und Regisseur Detlev Buck hat einen ganzen – gelungenen – Film über Rinder gedreht. Aber wer den Film „Die Generallinie“ von Sergej Eisenstein gesehen hat, weiß, wie selbst großen Filmern die Rinderaufnahmen völlig misslingen können.

Die Rinder am Niger sollen jedoch auch noch – laut Forumskatalog – wunderkräftig, das heißt bei der Heilung – „damit die Dinge wieder so werden, wie sie waren“ – wesentlich sein. Ich verstehe das so: „Wer keine Rinder mehr hat – ist im Arsch!“ In dieser alten Wesermarschweisheit steckt naturgemäß eine Menge Metaphysik, aber wenn es im Film noch metaphysischer gemeint ist, dann habe ich es nicht verstanden. Es gab für die Übersetzung Kopfhörer im Kino, aber meine waren tot.

HELMUT HÖGE

„Le rêve plus fort que la mort“. Regie: Jean Rouch. Frankreich 2001, 77 Min.

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