Weltkrieg, häppchenweise

Die neunteilige Doku-Serie „Der Jahrhundertkrieg“ von ZDF-Historiker Guido Knopp präsentiert schlimme Bilder mit erstaunlicher Oberflächlichkeit („Luftkampf über Deutschland“, ZDF, 20.15 Uhr)

von SEBASTIAN SEDLMAYR

Heute Abend tobt ein „Luftkampf über Deutschland“. Zumindest im ZDF. Aber nicht nur der Titel der fünften Folge von „Der Jahrhundertkrieg“ hat etwas Reißerisches, sondern alle Filme der neunteiligen Reihe. Dabei will Guido Knopp, Leiter der von ihm selbst aufgebauten ZDF-Redaktion Zeitgeschichte, damit doch auf „die stillen Helden“ aufmerksam machen.

Die heutige Folge widmet sich vorrangig der Zerstörung von Köln am 30. Mai 1942. Deshalb lud Professor Dr. Knopp zur Sichtung seiner Doku-Version ins Maritim-Hotel der Domstadt, einen Nachkriegsbau. Wo vor jenem sonnigen Maitag vor 60 Jahren noch Markthallen standen, traten auch zwei der Zeitzeugen des „1.000-Bomber-Angriffs“ vor das Journalistenauditorium. In Guido Knopps 45-Minuten-Stück kommen sie heute insgesamt lediglich zehn Sekunden zu Wort. Beim Frühstück im Maritim-Hotel durften Harold Nash, ehemaliger britischer Bomberpilot, und Willy Emons, 1942 ein 10-jähriges Kriegskind, prinzipiell unbegrenzt reden.

Scheibchenbekenntnis

Besonders Harold Nash nutzte die Gelegenheit, wortreich und emotionsgeladen seine Geschichte zu erzählen: „Ich war ein Terrorpilot. Am 27. März 1943 wurde ich abgeschossen, wollte nach Holland. Ich hatte Angst vor den Deutschen. In einem Zug durch das Ruhrgebiet saß ich drei Damen in Schwarz gegenüber, die offensichtlich ihre Ehemänner verloren hatten. Sie mussten mich an der Uniform erkannt haben. Trotzdem gab mir eine der Frauen ein Stück Brot. Die Wache verhinderte das Almosen. Erst zehn Jahre später, auf einer Party, sagte jemand den Satz ‚Wenn dir jemand auf die eine Wange schlägt, dann halte ihm auch die andere hin‘. Da dachte ich wieder an die Frau im Zug. Und langsam änderte sich meine Gesinnung.“

In Guido Knopps Fassung hört sich die Geschichte etwa so an: „Ich war ein Terrorpilot. Aber langsam änderte sich meine Gesinnung.“ Scheibchenbekenntnisse („Ich empfand damals kein Mitleid, heute sehe ich das anders.“) folgen zwangsläufig aus den schnellen Schnitten, mit denen Knopp ganze Lebensgeschichten in fernsehtauglichen Formaten anzurichten versucht. Um die Oberflächlichkeit und Beliebigkeit der meisten Zeitzeugenaussagen („So etwas hatte ich noch nicht erlebt.“ „Das werde ich nie vergessen.“) wenigstens etwas zu kaschieren, mussten Bilder her. Wilde Bilder. Grässliche Bilder. Wie die von der immensen Hitze der Feuernächte zur Größe von Brotlaibern zusammengeschrumpften Menschen.

Filme wie Schlagworte

Schon seit über einem Monat versorgt der Historienbeauftragte Guido Knopp durchschnittlich 4,6 Millionen Zuschauer mit seiner Version vom Zweiten Weltkrieg. Die Betonung liegt hierbei auf Krieg. Denn politische Zusammenhänge, die Frage nach dem „Warum“ hinter dem furchteinflößenden Bilderwerk, spart der Jahrhundertkriegsfilmer aus und kämpft sich lieber durch einzelne Situationen eines in Wirklichkeit mit kalter Akribie angelegten Expansions- und Vernichtungswerkes.

So lassen sich die Filme auf Schlagworte reduzieren: die fiesen Nazis, der fiese englische „Bomber Harris“ und das geschundene deutsche Volk. Trotzdem blitzt in „Der Feuersturm“, der nächsten Folge am 26. Februar, in einer Szene zumindest das dokumentarfilmerische Potenzial auf, das der Stoff bietet: Eine feurige Propagandarede von Josef Goebbels, der Durchhalteparolen ins Volk schreit, wird wunderbar kontrastiert durch Originalaufnahmen völlig erschöpfter Menschen auf Berliner Straßen. Sonst: Ein Schnappschuss hier, ein Schnappschuss dort. Da teilen „über 100 Städte“ dieses „Schicksal“ der Zerstörung.

Im „Feuersturm“ konstatiert der Sprecher zum Angriff alliierter Kampfflugzeuge auf Dresden: „Es sind halbwüchsige Hitlerjungen, die mit ihren Kanonen gegen die Übermacht aus der Höhe kaum etwas ausmachen können.“ Doch warum nur Halbwüchsige zur Abwehr herangezogen werden, an welchen Fronten die potenziell verteidigungsfähige Armee in jenem Februar 1945 sinnlose Schlachten führt, bleibt an dieser Stelle unerwähnt.

Höchstens militärstrategische Ziele werden umrissen. Wenn es um die Bombardierung der Städte im heutigen Bundesgebiet geht, fokussiert sich Knopp auf die Frage „War es das wert?“ Die unterschiedlichen Antworten spiegeln meist die subjektive Situation der Zeitzeugen wider. Während ein deutscher Abfangjäger die Frage auch heute noch verneint, bejahen sie ein amerikanischer Bomberpilot, ein britischer Soldat und ein KZ-Häftling ohne den geringsten Zweifel. Leider herrscht im übrigen ein schulmäßig konstruierter Spannungsbogen, unterlegt von kurzen Metaphern wie „Der Tod einer Stadt“.

Haffner statt Knopp

Guido Knopps Sendereihe kann höchstens ein Anreißer sein, der das Interesse für die Hintergründe des Zweiten Weltkrieges weckt. Nun gut, genau das ist Knopps Anliegen, wie er bei der Pressevorführung in Köln betonte. Und der Dokumentations-Reihe kann auch lediglich in diesem Kontext ihre Berechtigung zugestanden werden. Nach Knopps Angaben liegen 40 Prozent der Zuschauer in der Altersgruppe zwischen 14 und 49 Jahren, bei zwölf Prozent Marktanteil. „Ein hoher Wert fürs ZDF“, sagt der Geschichtsverfilmer. Doch die jungen Menschen sollten wohl besser jede Woche montags eine drei viertel Stunde lang Sebastian Haffner lesen.