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Abschied von der Kalahari

Gegen heftigen Protest will Botswana seine Ureinwohner umsiedeln. Als Grund wird der Wunsch vermutet, Platz für Diamantenminen zu schaffen. Aber die Bergbaukonzerne wollen gar nicht

aus Gaborone FRANÇOIS MISSER

Es wird ernst für Botswanas Ureinwohner. Die Buschleute der Gana- und Gwi-Stämme müssen ihre Reservate in der Kalahariwüste verlassen. Am 31. Januar lief ein entsprechendes Ultimatum der Regierung ab. Sonst, drohten die Politiker, würde die Trinkwasserversorgung, die per Kanal und Lastwagen gewährleistet ist, gekappt. Am 5. Februar verkündete Kommunalverwaltungsministerin Margaret Nasha die Umsiedlung der ersten 75 Familien ins Lager New Xhade am Rande des Reservats.

Unerwartet breite nationale und internationale Empörung hat vorerst Schlimmeres verhindert. Menschenrechtsgruppen und Oppositionsparteien treten für die Buschmänner ein. Das britische Oberhaus nimmt sich ihrer an, die Menschenrechtsorganisation „Survival International“, die weltweit für die Rechte bedrohter Stammesvölker eintritt, hält Mahnwachen ab. Auch die Betroffenen wehren sich: Mit Protest verhinderten sie die Schließung der Wasserpumpe von Mothomelo, sagt Qosi Xhukuri, Sprecher der „First People of Kalahari“.

„Survival International“ spricht von einer „langfristigen Strategie zur Vertreibung aller Buschleute aus dem Zentralkalahari-Wildreservat“ und sagt: „Buschmänner sind gefoltert worden, ihre Häuser wurden plattgewalzt, und viele sind in trostlose Lager umgesiedelt worden, wo sie nicht mehr jagen können und von staatlicher Wohlfahrt abhängig werden.“ Die Lager, in denen bereits 2.000 Buschleute leben, seien „Todesstätten“, wo Langeweile und Alkohol herrschen. Selbst Botswanas Medien schreiben von den Lagern als Brutstätten des Drogenhandels, deren Insassen leicht ins Gefängnis wandern.

Warum will die Regierung die Basarwa umsiedeln, wie sich die Buschleute selbst nennen? Die Argumente von Generalmajor a. D. Moegn Pheto, der sich am 3. Februar im Auftrag des Staates mit Vertretern der Betroffenen traf, sind einfach. Er sagte ihnen, dass ihre Anwesenheit im Reservat mit dem Naturschutz unvereinbar sei. Wenn sie gingen, kriegten sie Wasser, Gesundheitsversorgung und Schulen.

In den meisten afrikanischen Ländern würde man solche Versprechungen als Demagogie bezeichnen, aber in Botswana, dank seiner Diamantenvorkommen eines der reichsten Länder Afrikas, muss man sie ernst nehmen. Die Basarwa lehnen trotzdem ab. Ihre Organisation „First People of Kalahari“ sagt, es sei verfassungswidrig, sie zum Verlassen ihres Landes zwingen zu wollen. Sie sind Jäger und Sammler, und das wollen sie bleiben. „Ich habe nie Vieh besessen, und ich will auch keines“, sagt ein junger Buschmann.

Die Regierung behauptet demgegenüber, es seien ausländische Ethnologen, die aus Interesse am Fortdauern einer steinzeitlichen Lebenswelt die Buschleute zur Sturheit überredeten. Sie wollten das Elend der „benachteiligten Völker“ ausnutzen, meint Botswanas Expräsident Ketumile Masire. „Wer anthropologische Studien betreiben will, fühlt sich natürlich gestört, weil wir auf seinen Jagdgründen wildern.“

Moegn Pheto, der Generalmajor a. D., setzte bei seinem Treffen mit den Basarwa noch eins drauf: „Wollt ihr, dass die Touristen kommen und euch fotografieren wie wilde Tiere?“ Die Betroffenen schwiegen eine Weile, berichtet ein Teilnehmer des Treffens, und antworteten: „Das ist uns egal. Unsere Ahnen haben auch schon ohne Wasserpumpen gelebt. Notfalls jagen und sammeln wir.“

Die Basarwa ziehen nun vor Botswanas Oberstes Gericht. Sie machen geltend, dass ihr Reservat 1961 geschaffen wurde, fünf Jahre vor Botswanas Unabhängigkeit. Die Kolonialherren ließen sie in Frieden – warum tut das die eigene Regierung nicht?

Die Regierung sagt, es sei zu teuer, 400 Wüstenbewohner mit Wasser zu versorgen. Denn das kostet 100.000 Dollar im Jahr. Aber die EU hat vorgeschlagen, diese Kosten im Rahmen eines Umweltschutzprogramms zu übernehmen. „Survival International“ unterstellt dem Staat andere Motive: Das Reservat enthält Diamantenvorkommen.

Es habe Prospektionen gegeben, bestätigt das Bergbauministerium. Aber sie erbrachten wenig, und Bergleute dürfen sowieso nicht im Reservat wohnen. Ein Sprecher des südafrikanischen Diamantenriesen De Beers, der an den Prospektionen teilnahm, stellt klar: „Es gibt keinen Bergbau und es ist kein Bergbau vorgesehen. Die Rentabilität ist zu gering im gegenwärtigen Wirtschaftsklima.“ De Beers kontrolliert zusammen mit der Regierung die gesamte Diamantenproduktion Botswanas, größter Diamantenförderer der Welt.

Auch Botswanas Tourismusbehörde Hatab sieht kein Problem darin, dass die Basarwa in ihrem Reservat bleiben, obwohl sie das Gebiet touristisch erschließen möchte – ein Vorhaben, gegen das die Basarwa nichts haben.

Nun fragt sich jeder, warum die Regierung nicht nachgibt. Vielleicht geht es einfach um Rechthaberei. „Wir tun für diese Leute, was wir für gut halten“, verteidigt Expräsident Masire das Vorgehen der Regierung. „Manche Stämme wollen immer in das Land ihrer Ahnen zurück, egal wie vernachlässigt es ist.“ Aber nun sorgen sich die Medien um Botswanas Image. Bisher galt das Land als Afrikas Erfolgsstory, eine solide Demokratie mit einem jährlichen Pro-Kopf-Einkommen von über 4.000 Dollar. Die Straßen sind hervorragend, in der Hauptstadt Gaborone gibt es multikulturelle Techno-Discos, die Kalahari gilt als touristischer Geheimtipp. Dies alles steht nun auf dem Spiel.

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