: Alte Lösungen für alte Probleme
Die israelische Regierung will mit verstärkten Angriffen auf die jüngsten palästinensischen Anschläge reagieren, aber ihre Strategie nicht grundsätzlich ändern. Die rechten Parteien setzen Scharon unter Druck. Sie wollen Arafats Ausweisung
aus Jerusalem SUSANNE KNAUL
Mit mehr und intensiveren Angriffen will die israelische Regierung der jüngsten Gewalteskalation Paroli bieten. Ministerpräsident Ariel Scharon beriet gestern am frühen Morgen mit Außenminister Schimon Peres und Verteidigungsminister Benjamin Ben-Elieser über „spezifische Operationen“ gegen die Palästinenser. Einzelheiten wurden jedoch auch während einer Sitzung des Sicherheitskabinetts am Vormittag zunächst nicht bekannt gegeben. Offenbar besteht die Sorge über undichte Stellen.
Die Minister entschieden sich für „mehr vom Gleichen“. „Es wird keine qualitative, wohl aber quantitative Veränderungen geben“, erläuterte Justizminister Meir Schitrit im Anschluss an die Kabinettssitzung. „Die Palästinenser intensivieren ihren Kampf – wir tun dasselbe.“
Schitrit wies in einem Gespräch mit der „Stimme Israels“ eventuelle Pläne, die Palästinensergebiete neu zu besetzen, von sich, fügte jedoch hinzu: „Wir können nicht die Hände in den Schoß legen, solange wir angegriffen und ermordet werden.“ Auch Verteidigungsminister Ben-Elieser sagte, gezielte Angriffe auf die palästinensische Führung seien nicht geplant, dafür aber eine Verschärfung von Angriffen auf die Zentren, in denen Terrororganisationen vermutet werden. Dazu gehört vor allem die Gegend von Ramallah und Nablus. Erleichterungen soll es für die Bevölkerung im Raum Hebron geben, wo es in den vergangenen Wochen ruhiger war.
Scharon greift damit auf seine alte Strategie zurück, die „bösen“ Palästinenser zu bestrafen und die „guten“ zu belohnen. Doch die Hoffnung, dass die Friedfertigeren Druck auf diejenigen ausüben werden, die den Weg der Gewalt gehen, hat schon in der Vergangenheit nicht funktioniert. Jüngste Umfragen bestätigen, dass gut drei Viertel der palästinensischen Bevölkerung eine Wiederaufnahme von Verhandlungen begrüßen, sich gleichzeitig aber für eine Fortsetzung des Widerstandes aussprechen, solange sich auf der israelischen Seite nichts ändert. Die Angriffe auf den Präsidentensitz fördern dabei die Sympathie für den Präsidenten.
Unterdessen wächst der Druck der Rechtsparteien in der Koalition, die sich zunehmend für einen Ausweisung von Arafat und einer Auflösung der Autonomiebehörde stark machen. Auch außerhalb der Regierung wird Unzufriedenheit über die Strategie Scharons laut: „Wenn innerhalb von 48 Stunden elf Israelis ermordet werden, kann man das nur als absolutes und totales Versagen der Regierung und des Ministerpräsidenten bezeichnen“, meinte der Abgeordnete Schaul Yahalom von der National-Religiösen-Partei. Verkehrsminister Efraim Sneh (Likud) warnte hingegen vor Maßnahmen, die den eigentlichen Zielen Wege verbauen könnten. „Es gibt keinen Grund, etwas zu unternehmen, das weder für Israels diplomatische Position noch für den Kampf gegen den Terror hilfreich wäre.“ Es gelte, die „notwendigen militärischen Schritte zu verfolgen“ und nicht „politische Vorteile aus Katastrophen zu ziehen“.
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