Humana-Gründer in Handschellen

Der umstrittene Amdi Peterson wurde in Los Angeles verhaftet. Die dänische Polizei wirft dem Kulturrevolutionär und Reformpädagogen vor, über die Secondhand-Kette Steuern hinterzogen und öffentliches Geld missbraucht zu haben

KOPENHAGEN taz ■ Der große, grauhaarige Mann war mit einem Firstclass-Flug aus Südafrika in Los Angeles angekommen und händigte dem Beamten der Einwanderungsbehörde seinen Pass aus. Ein paar Minuten später informierte das FBI den 63-jährigen Mogens Amdi Peterson – Lehrer, Rebell und schillernder Gründer des weltweiten Humana-Verbunds –, dass er ins Hochsicherheitsgefängnis von Los Angeles gebracht würde, anstatt seinen Weiterflug nach Mexiko anzutreten. 32 Jahre nachdem Amdi Petersen ein millionenschweres Geschäft mit Farmen in Afrika, Brasilien und Zentralamerika, mit Secondhand-Läden und mit einem weltweiten Netzwerk von Schulen gegründet hat, ist er seit vergangenem Sonntag Gefangener Nummer 21047-112.

In Deutschland ist Humana in drei Gesellschaften organisiert und betreibt rund 20 Secondhand-Läden unter dem Namen „Humana“. Laut Wissen der Geschäftsführerin der gemeinnützigen Humana GmbH, Julia Breitenstein, gibt es allerdings weltweit keinen Herrn Petersen, der ein Amt bei den Humana-Gesellschaften inne hätte – jedenfalls nicht in Deutschland oder beim weltweiten Dachverband. Die einzige Verbindung zwischen Humana und den Tvind-Schulen sei im ihr bekannten Bereich folgende: Humana finanziert mit den Überschüssen aus dem Kleiderverkauf Projekte in der Dritten Welt, dafür würden Helfer ausgebildet, und zwar an den „reisenden Hochschulen“ von Tvind. Weitere Infos gibt es auf den Homepages humana-de.org und humana.org.

Seit einem Jahr hat die dänische Polizei Petersen mit einem internationalen Haftbefehl gesucht. Sie wirft ihm Wirtschaftskriminalität, Steuerhinterziehung, Betrug und Missbrauch öffentlicher Gelder vor. Deshalb hat Dänemark die Auslieferung des Mannes beantragt, der seit über 22 Jahren nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen wurde.

Die Festnahme ist das Ende einer Entwicklung, die 1970 begann, als Petersen mit ein paar alten, verbeulten Bussen die „Travelling High School“ gründete und die erste Studentengruppe auf Studienreise nach Indien schickte. Auf den holprigen Straßen der Türkei und des Irans überzeugte der charismatische Lehrer, der wegen langer Haare in den 60ern aus dem Schuldienst entlassen worden war, seine Schüler, für weltweite Gerechtigkeit und gegen die Armut in der Dritten Welt zu kämpfen. Die Inspiration für seine Arbeit war die Kulturrevolution in China. Einige Jahre später war eine Firma entstanden: In Tvind, einem Dorf im westlichen Jutland, gründeten Petersen und seine Partner eine pädagogische Hochschule, ein Gymnasium und eine Schule. Dazu kam der Kauf von Schiffen, der Bau der größten Windmühle der Welt, ein Kindergarten und sogar ein Zoo, der 1977 fertiggestellt wurde. All das legte den Grundstein für das Netz der Humana-Läden in ganz Europa.

Das finanzielle Fundament für die schnelle Expansion von Petersens Imperium war die so genannte Lehrergruppe, die bis heute 500 Pädagogen umfasst. Diese geben ihr Gehalt komplett ab – dafür erhalten sie freie Verpflegung, eine spartanische Unterkunft und Bekleidung. Das System garantiert dem undurchsichtigen Wirtschaftskonglomerat regelmäßige Einnahmen in Millionenhöhe.

Jahrelang war der ausgebildete Lehrer Petersen eine feste Größe in pädagogischen Diskussionen in Europa. Sein Ansatz, Praxis und Theorie zu kombinieren, wurde als eine der großen Erneuerungen gefeiert und von der Linken in Skandinavien, Großbritannien und Deutschland begeistert aufgenommen. In den späten 70ern wurde in der dänischen Öffentlichkeit allerdings Kritik laut: Schüler und Lehrer berichteten von Psychoterror bei Lehrgängen, bei denen einzelne oder kleine Gruppen massiver „Kritik zur Selbstkritik“ unterzogen wurden.

Im Jahr 1979 veröffentlichte die linke Danish Daily Information ein Strategiepapier von Amdi Petersen. Dieses lies keinen Zweifel an den strategischen Zielen des Humana-Tvind-Imperiums: Sowohl die Schulen als auch die Läden und der Rest des Konzerns seien zum Aufbau einer Organisation bestimmt, die die Arbeiterklasse zur Revolution führen solle. Während des darauf folgenden Mediensturms verschwand Petersen aus der Öffentlichkeit und wurde seither nicht mehr gesehen. Ehemalige aus der Lehrergruppe berichteten dagegen übereinstimmend, dass Petersen am Leben und der unangefochtene Chef des Imperiums sei. NIELS ASTRUP