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Der Anti-Steffel

Mit erstaunlichem Geschick hat Exkultursenator Christoph Stölzl seine Kandidatur für den CDU-Parteivorsitz eingefädelt – und den Durchmarsch des ungeliebten Fraktionschefs Steffel verhindert

Stölzl soll die CDU salonfähig machen, wo Steffel Kredit verspielt hat

von RALPH BOLLMANN

Lange haben die Berliner Christdemokraten nach einem Politiker gesucht, der den innerparteilichen Durchmarsch des gescheiterten Spitzenkandidaten Frank Steffel verhindern kann. Jetzt haben sie ihn gefunden: Der Quereinsteiger und Exkultursenator Christoph Stölzl, derzeit Vizepräsident des Landesparlaments, avanciert zum Retter in der Not. Am Wochenende erklärte er im Lokalfernsehen seine Bereitschaft, CDU-Landesvorsitzender zu werden. „Ja, ich habe mich entschieden“, sagte Stölzl und wischte dem ungeliebten Steffel gleich noch eins aus: Eine Kandidatur des Fraktionschefs für dieses Amt sei „gar nicht die Frage“, erklärte er.

Damit sprach der frühere Chef des Deutschen Historischen Museums aus, was die übergroße Mehrheit der CDU-Mitglieder denkt. Fieberhaft wurde in den vergangenen Wochen ein Nachfolger für den langjährigen Landeschef Eberhard Diepgen gesucht, der seiner Partei mit seiner gescheiterten Kanidatur für den Spitzenplatz zur Bundestagswahl einen letzten Bärendienst erwies und das innerparteiliche Machtgefüge schneller als erwartet zur Implosion brachte.

Der anfängliche Favorit Volker Hassemer warf sich mit der Bemerkung, er repräsentierte nicht die Mitte der Partei, selbst aus dem Rennen. Chancenlos blieben am Ende auch die möglichen Bewerber aus dem Osten. Günter Nooke, der die Landesliste für die Bundestagswahl anführt, verzichtete von sich aus und schlug Stölzl vor. Denn der wäre, so Nooke „mit seinem intellektuellen und biografischen Eigengewicht ein Pfund für die Berliner CDU“.

Interimsparteichef Joachim Zeller, von Stölzls Vorstoß offenbar überrumpelt, zeigte sich am Sonntag vergrätzt: Nicht die Medien, die Parteigremien seien der richtige Platz, eine solche Bewerbung bekannt zu geben.

Damit demonstrierte Zeller nur, mit welchem politischem Geschick Stölzl und seine Unterstützer den Coup eingefädelt haben – einem Geschick, das viele Beobachter der landespolitischen Szene dem einst glücklos agierenden Senator gar nicht zugetraut hätten. Aber Stölzl ist nicht der einzige Politiker, der sich am Amt des Berliner Kultursenators die Zähne ausgebissen hat. Berlins Kulturschaffende, so formuliert er selbst, seien „viel schwieriger unter einen Hut zu bringen als Politiker“.

Das soll offenbar bedeuten: Wer aus dem Strudel der Berliner Opernkrise lebend aufgetaucht ist, den können auch die Untiefen einer krisengeschüttelten 20-Prozent-Partei nicht mehr schrecken. Und die geheimen Schließungspläne des neuen PDS-Kultursenators Thomas Flierl zeigen: Stölzls Methode, mit wolkigen Betrachtungen zur Weltgeschichte allen konkreten Entscheidungen aus dem Weg zu gehen, war für Berlins Kulturlandschaft womöglich nicht die schlechteste Strategie.

Was sich die Partei von Stölzl verspricht, liegt auf der Hand: Der redegewandte Intellektuelle mit den bürgerlichen Umgangsformen soll die CDU auch in jenen Kreisen wieder salonfähig machen, in denen der polternde Steffel jeden Kredit verspielt hat. Endlich hätte die Partei wieder eine Stimme, die in der Öffentlichkeit ernst genommen würde – und einen prominenten Kopf, der dem überregional bekannten Senatsduo Gregor Gysi/Klaus Wowereit Paroli bieten könnte.

Über die Art und Weise, wie die SPD im vergangenen Jahr die große Koalition aufkündigte, konnte sich Christoph Stölzl menschlich zutiefst empören. Verglichen mit dem abgebrühten Management der Politprofis hatte das etwas geradezu Rührendes. Es schien, als habe Stölzl mit seinem Wechsel in die Politik einen schweren Fehler gemacht.

Seinen Posten als allseits anerkannter Museumsmann hatte er aufgegeben, um – nach einem kurzen Zwischenspiel als Feuilletonchef der Welt und als Kultursenator – den Rest seines Berufslebens als Stellvertreter des Parlamentspräsidenten Walter Momper zu verbringen.

Doch Stölzls Stern strahlte wieder heller, je mehr sich der Himmel über der Berliner CDU verdunkelte. Mit der Rede, die er bei der Wahl des rot-roten Senats im Januar hielt, brachte er sich für höhere Funktionen ins Gespräch. Auch Zuhörer, die eine PDS-Regierungsbeteiligung anders als Stölzl nicht moralisch verwerflich fanden, lobten anschließend das rhetorische Niveau und den historischen Tiefgang seiner Rede, die sich vom üblichen Niveau der Berliner Parlamentsreden wohltuend abhob.

Wäre die Berliner CDU nicht in der tiefsten Krise ihrer Geschichte – ein Quereinsteiger wie Stölzl, der erst vor einem Jahr in die Partei eintrat, hätte niemals die Aussicht auf den Parteivorsitz gehabt. Bislang hatte der studierte Historiker die ausgeprägte Neigung, sich eng an politischen Führungsfiguren zu orientieren – als Museumsdirektor an Helmut Kohl, als Senator dann an Eberhard Diepgen. Beiden bekundete er noch seine Treue, als es politisch längst nicht mehr opportun zu sein schien.

Wird Stölzl auf dem Parteitag im Frühjahr tatsächlich gewählt, muss er zum ersten Mal selbst die Führung übernehmen – ein Experiment für ihn selbst wie für die Partei.

Aber schon jetzt hat Stölzls Kandidatur ihren wichtigsten Zweck erfüllt: Frank Steffel verstand die Botschaft prompt und erklärte seinen Verzicht auf den Parteivorsitz. Niemals, so versicherte der von Stölzl ausgebootete Fraktionschef, habe er eine Kandidatur für dieses Amt im Sinn gehabt.

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