ARBEITSLOSENSTATISTIK: AUSGRENZUNG IST UNGERECHT: Manipulationen hatten wir gerade erst
Arbeitslosenwelt und Arbeitslosenstatistik – manchmal hat beides nur wenig miteinander zu tun. In den Tabellen stehen viele nicht, die eigentlich einen Job suchen, und manche andere, die sich gar nicht mehr um Arbeit bemühen. Das genau ist die Realität der monatlich neu verkündeten Arbeitslosenzahlen – doch der Versuch der Regierung, dort jetzt Klarheit hineinzubringen, ist ein zwielichtiges Unterfangen.
Die Regierung möchte jene Arbeitslosen aussondern, die für einen neuen Job gar nicht mehr zur Verfügung stehen. 15 Prozent der gemeldeten Arbeitslosen erleben sich als nur „im Übergang“ zur Rente, weitere 7 Prozent bemühten sich aus anderen Gründen nicht – weil sie beispielsweise Kinder erziehen. Diese Prozentzahlen beruhen auf einer Umfrage – wenn sie jedoch zur Grundlage werden sollen, die Arbeitslosenstatistik zu verändern, begibt man sich auf wackligen Boden.
Eine solche „Bereinigung“ würde nämlich bedeuten, ganze Gruppen aus der Statistik auszusondern – etwa die Älteren oder Mütter mit kleinen Kindern. Doch das wäre wiederum ungerecht gegenüber denjenigen 59-Jährigen, die vielleicht tatsächlich noch einen Job suchten. Und es wäre andererseits auch ungerecht gegenüber anderen Arbeitslosen, die permanent ihre Arbeitswilligkeit unter Beweis stellen müssen. Die Frage, welches Recht diese ausgesonderten Gruppen dann noch auf Arbeitslosenhilfe hätten, wäre die nächste politische Frage. Eine fatale Konsequenz.
Vor allem aber: Eine solche Sonderstatistik wäre ein politischer Offenbarungseid. Damit gibt man zu, dass beispielsweise Ältere keine Chance auf dem Arbeitsmarkt mehr haben – und das, obwohl die Verlängerung der Lebensarbeitszeit vielerorts propagiert wird. Es stimmt zwar, dass in anderen Ländern mehr als in Deutschland die aktive Jobsuche unabdingbar ist, um als „arbeitslos“ zu gelten. Insoweit ist es durchaus angebracht, den Aufbau der deutschen Statistik zu durchdenken. Doch eine solche Veränderung kann man nicht machen, indem man Gruppen einfach ausgrenzt.
Und überhaupt: Manipulationen an den Statistiken der Arbeitsämter – hatten wir das nicht gerade erst? BARBARA DRIBBUSCH
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen